Der Spiegel der Königin
könnte. Sie setzte sich in den Thronsaal, den sie zuvor hatte krä f tig aufheizen lassen, und wartete auf die Freier. Jeder, der eintrat, rief aus: › Hier ist es aber heiß! ‹ Worauf sie prompt zurückrief: › In meinem Hintern ist ’ s heißer ! ‹ Da waren die Freier sprachlos.«
Gelächter umbrandete Elin. Tilda grinste Elin an.
»Na, wird das kleine Gänschen jetzt rot?«
Elin funkelte die kichernden Damen an. Wie rot wü r den die erst werden, wenn sie einen Tag in der Küche oder in den Stallungen bei den Knechten verbracht hä t ten!
»Das ist noch gar nichts – warte, bis du unsere Krist i na kennen lernst«, ereiferte sich Tilda weiter. »Gegen die ist die großmäulige Prinzessin ein Waisenkind!«
»Hört auf!«, befahl Lovisa. »Wo habt ihr euren A n stand gelassen ? « Das Gelächter verebbte und ging in G e tuschel über. Im fahlen Licht, das durch das Seitenfe n ster fiel, sah Lovisas Gesicht noch strenger aus. Trot z dem war Elin sicher, dass für die Dauer eines Wimper n schlags ein amüsiertes Lächeln über die grimmigen Züge gehuscht war.
Die Wärme des kleinen Ofens hatte nicht einmal bis Mittag vorgehalten. Müdigkeit und Rückenschmerzen machten sich bemerkbar, außerdem eine leichte Übelkeit, denn obwohl der Schlitten dahinglitt, schaukelte und ächzte er, wenn sie über Schneehaufen fuhren oder bi s weilen auch stecken blieben und warten mussten, bis sich die Kufen mit einem Ruck wieder aus dem Untergrund lösten. Das Schnauben der Pferde und die dumpfen Hu f schläge wollten Elin in den Schlaf locken. Mehrmals e r tappte sie sich dabei, wie sie den Kopf gegen die mit Samt bespannte Seitenwand lehnte und wegnickte. In einem dieser flüchtigen Träume erwachte sie in der K ü che und Greta starrte sie wutentbrannt an.
Rufe drangen an ihr Ohr, ein Ruck ging durch die Ku t sche und Elins Stirn schlug unsanft ans Fenster. Tilda sackte mit ihrem ganzen Gewicht gegen sie. Gerade noch konnte Elin sich abstützen, bevor ein zweiter Ruck sie Richtung Tür schleuderte. Jemand klopfte an die Sche i be.
»Aussteigen! Der Schlitten steckt fest!«
Lovisa und die Damen seufzten und zogen die ve r rutschten Decken von ihren Knien. Als Letzte kroch Elin aus dem Schlitten. Ihre Glieder waren so steif, dass sie stolperte, aber die Hand eines Reiters fing sie sicher ab.
»Langsam, Mademoiselle!«
Der Reiter, der ihr geholfen hatte, war ein ungewöh n lich schöner Mann. Blonde Locken fielen ihm über den Mantelkragen. Eine goldgelbe Feder an seinem Hut bauschte sich im Wind. Er rief dem Kutscher etwas zu und einige der Grenadiere lenkten ihre Pferde zu der Kutsche. War das vielleicht der Sohn des Marquis? Aber nein, das konnte nicht sein, d afür war sein Schwedisch zu perfekt. Im selben M o ment preschte ein zweiter Reiter heran. Hoch spritzte der Schnee auf, als das Pferd aus dem Galopp zum Stehen kam. Die Damen wichen z u rück. Ein leuchtend grüner Mantel mit Goldborten und Knöpfen fiel über die Kruppe des Pferdes.
»Der junge Marquis de Vaincourt«, flüsterte Tilda. I h re Wangen waren vor Aufregung ganz rot. »Die Grafe n familie ist mit dem französischen Botschafter Chanut befreundet, der in Stockholm lebt.« Elin runzelte die Stirn und schlang sich das Wolltuch, das sie während der Fahrt aus ihrem Bündel geholt hatte, um den Hals.
Das Pferd, das der junge Adlige ritt, warf den Kopf hoch und stemmte sich gegen den Zaum. Schaum troff in den Schnee. Der Marquis wirkte nicht viel älter als Elin. Das schwarze Haar erinnerte sie an die viel zu dunkle Locke n pracht der Marquise – und auch in den fein geschni t tenen Zügen des jungen Mannes konnte Elin eine Äh n lichkeit ausmachen. Als der Reiter ihm etwas zurief, l ä chelte der Franzose nur hochmütig und schüttelte den Kopf.
»Wer ist der blonde Mann mit dem Federhut?«, wan d te sich Elin an Tilda. Das Mädchen schien nur darauf gewartet zu haben, ihr Wissen mit ihr zu teilen. Sie war geschwätzig, aber harmlos, stellte Elin fest.
»Wie, du kennst ihn nicht? Das ist Magnus de la Ga r die, Mitglied des Reichsrats. Manche behaupten, er sei der Günstling der Königin. Bis vor kurzem war er noch außerordentlicher schwedischer Botschafter in Paris.«
»Warum hat er einen französischen Namen, wenn er Schwede ist?«
»Seine Vorfahren stammen aus der Gascogne.«
Als hätte Magnus de la Gardie das geflüsterte G e spräch gehört, sah er sich plötzlich nach Elin um. Rasch wandte sie sich ab. Inzwischen hatte sich die
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