Der Spiegel der Königin
schwarzer Rock wurde sich t bar, eine matronenhafte Gestalt und – weiße Löckchen. Schnaufend kam die Kammerfrau aus Madame Joulains Zimmer die Treppe herunter. Auf halber Höhe blieb sie stehen und sah sich mit schlafmüden Augen um. Jetzt am Morgen wirkte ihre Haut g rau, ihre Lippen aber leucht e ten in einem so grellen Rot, als hätte sie Beeren gege s sen. Bei Elins Anblick verzog sie den Mund.
»So sieht man sich wieder«, meinte sie weder freun d lich noch unfreundlich. Elin errötete und machte einen Knicks. Die Frau seufzte, drehte sich um und schnaufte die Treppe wieder hoch. Elin begriff und beeilte sich, ihr zu folgen. Die Kammerfrau trat zu einem Fenster. Ein Luftzug drückte sich durch einen Fensterspalt und trug Elin den Duft von parfümiertem Puder zu. »Elin heißt du, nicht wahr? Gut, gut. Mich nennst du Lovisa. Leg dein Bündel hin und lass dich anschauen.« Eine steile Falte erschien zwischen ihren Brauen.
»Hast du schon einmal ein richtiges Mieder getr a gen?«
Elin schüttelte den Kopf.
»Das sieht man. Dreh dich um. Kind – du hältst dich ja wie ein Schürhaken!«
Unwillkürlich stellte sich Elin gerader hin und drückte die Schultern nach unten. Lovisa lächelte grimmig und schüttelte den Kopf. Ihre Löckchen tanzten.
»Nützt überhaupt nichts, Mädchen. In einer Stunde beginnt die Reise – und so, wie du jetzt aussiehst, wirst du auf keinen Fall zu uns in die Kutsche steigen. Nun, wir werden dich schon gerade biegen. Komm mit!«
Der Schein der Fackel verwandelte die Schatten der Kutschpferde in zuckende, langbeinige Fabeltiere. Der ganze Hof lag unter frischem Schnee begraben. Hinter den vereisten Fensterscheiben, in die neugierige Finger Gucklöcher gerieben hat t en, tanzten Kerzenflammen wie Irrlichter im Moor. Alle Bewohner waren wach, um der königlichen Gesel l schaft bei der Abreise zuzusehen. Stallknechte tränkten die Pferde und die Kutscher prüften ein letztes Mal die Schlittenkufen, die anstelle der Räder an den Kutschen befestigt worden waren. Die Kutschen bestanden aus dunklem Holz, das an einigen Stellen blau und gelb b e malt war – die Farben Schwedens. Auf jeder prangten die drei Kronen, das Zeichen des Königreichs Schweden.
Zügelringe und Kandarenketten klirrten, wenn die Pferde der Soldaten die Köpfe schüttelten. Mit zitternden Flanken wartete die Meute der königlichen Jagdhunde darauf, endlich vor der Kälte davonlaufen zu dürfen. Mi t ten in diesem Trubel stand Elin neben einem Berg von Gepäckstücken. Ihr eng geschnürtes Mieder aus festem Segeltuch drückte gegen ihr Brustbein und zwickte in den Achselhöhlen. Es musste einer dünneren, aber auch größeren Frau gehört haben. Das Kleid mit den weißen Ärmeln war länger und schwerer als ihre Küchentracht. Zum ersten Mal trug Elin fein gewebte Strümpfe und lederne Halbschuhe, die viel weicher und wärmer waren als die klobigen Küchenpantoffeln. Allerdings hatten die Schuhe einen vier Finger hohen Absatz, was Elin das Gefühl gab, auf Zehenspitzen zu laufen. Am wenigsten gefiel ihr das Tuch auf ihrem hochgebundenen Haar, das kaum größer als ein Taschentuch war. Ohne ihre Haube, die sonst ihr Haar vollständig verbarg, fühlte sich ihr Kopf so nackt an, als hätte ihn jemand geschoren. Verl e gen zupfte Elin an ihren Handschuhen und wartete. Ke i ner der Bediensteten, die die Kleidertruhen einluden, gönnte ihr einen zweiten Blick.
Königin Kristinas französische Gäste fielen auf wie ein Haufen bunter Finken in einem Hühnerstall. Die ve r frorene Madame Joulain blickte todunglücklich drein, ihre Wangen waren fiebrig gerötet und ihrer Nase sah man an, dass die Erkältung über Nacht nicht besser g e worden war. Der Pelzsaum an ihrem Kragen sträubte sich im schneidenden Morgenwind. Madame Joulains Her r schaften ließen sich Zeit, zur Kutsche zu kommen. Der französische Graf war beleibt und hatte einen gestutzten Schnurrbart. Sein langes Haar trug er in unglaublich viele Locken gelegt. Schnee fing sich auf seinen zu Stulpen umgeschlagenen Schaftstiefeln. Die Dame an seiner Seite war zierlich und bewegte sich wie ein Vogel – mit fli n ken, genau bemessenen Bewegungen. Ihr purpurroter Rock leuchtete im Schnee. Das Haar der Französin war so schwarz, dass Elin sicher war, eine junge Frau vor sich zu haben, aber als die Dame sich umwandte, erkannte sie, dass ihr Gesicht viel älter war als ihre Bewegungen und die Farbe ihres Haars. Die Madame zählte sicher schon vierzig Jahre!
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