Der Spiegel der Königin
oder zerdrückt. Auch die Knopfleiste, die das eng geschnittene Wams zierte, hatte unter dem Sturz gelitten. Am schlimmsten aber sah sein Knie aus. Dort musste das Pferd ihn getreten haben. Der kostbare Stoff war zerrissen und die Haut blutverkrustet. Die Wunde musste höllisch schmerzen, aber der Franz o se ließ sich nichts anmerken und starrte nur stur aus dem Fenster. Trotz seiner Fremdheit erschien er Elin nicht viel anders als der arrogante Bäckersohn aus Gamla Up p sala.
»Und das ist also die Mademoiselle, die besser auf den Schmuck der Damen aufpasst als die Damen selbst«, brach Magnus nun das Schweigen. Er schenkte Elin ein herzliches Lächeln. Ganz bewusst sah er ihr in die Augen und nicht auf ihre geschundene Wange.
»Schüchtern Sie mir das Mädchen nicht ein«, sagte Lovisa in gutmütigem Tadel. »Sie ist noch völlig ve r stört.«
Magnus lachte.
»Glaubt man Kristina, ist sie alles andere als schüc h tern, wenn es darum geht, die Königin mitten auf dem Gang beiseite zu stoßen. Und jetzt wirft sie sich wild g e wordenen Streitrössern in den Weg. Ich wage gar nicht daran zu denken, was sie als Nächstes tun wird.« Elins Herz schlug gegen das harte Segeltuch wie ein Tromme l stock.
»Erzählst du mir, woher du kommst?«, fuhr Magnus fort.
»Gamla Uppsala.«
»Aus der Stadt der Königsgräber, so, so«, sagte Ma g nus. »Einst lebten dort die Svea-Könige. Warst du je auf den Hügeln?«
»Natürlich. Die … Kirche steht dort.«
»Sie ist schließlich kein Heidenkind«, warf Lovisa ein.
Elin zuckte zusammen. Magnus wandte sich seinem Gast zu. Ein ganzer Wirbel von fremden Worten fasz i nierte Elin gegen ihren Willen und sie versuchte ang e strengt, den Sinn zu erahnen. Magnus malte mit den Händen ein Tempelgebäude in der Luft nach, ließ Rauch zum Himmel steigen. Sie hörte die Namen »Freya« und »Odin« heraus und wusste plötzlich, dass Magnus von dem heidnischen Tempel erzählte, der in Gamla Uppsala einst an der Stelle der rußgeschwärzten, roten Holzkirche gestanden hatte. Unter der Eibe, so hieß es, wurden dort früher Menschen und Tiere den Göttern geopfert. Noch heute schlichen sich abergläubische Menschen auf den Hügel und verschütteten in nördlicher Richtung hinter der Kirche eine Hand voll Hühnerblut. Das sollte ihnen Unversehrtheit bringen. Auch Emilia hatte das Blut zu den Gräbern der Svea-Könige getragen, aber ihrem Mann Elias hatte es nichts genützt.
Der Marquis schien nicht beeindruckt. Leise antwort e te er mit wenigen Worten. Aus seinem Mund klang die fremde Sprache melodiöser als bei Magnus oder Lovisa. Dennoch war sich Elin sicher, dass er etwas Verächtl i ches gesagt hatte. Magnus nahm das Gespräch wieder auf und deutete auf Elin. Sie konnte nur erahnen, dass er den Grafen darauf aufmerksam machte, sich noch nicht b e dankt zu haben. Der Marquis schoss einen unfreundl i chen Blick zu ihr hinüber, doch statt sich ein Lächeln abzuringen und ein Wort des Dankes zu sagen, griff er stumm unter seinen Mantel. Münzen klirrten. Im Licht der Flämmchen leuchtete Metall auf – ein Riksdaler. Alle Gespräche in der Kutsche verstummten.
Lovisas Gesicht lief rot an, Elin kam es vor, als hätte sie dem jungen Grafen das Geld am liebsten aus der Hand geschlagen. Stattdessen nahm die Hofdame den Riksdaler und murmelte einige höfliche Worte. Elin schoss das Blut in die Wangen, aber Lovisa bedeutete ihr, den Mund zu halten. Magnus de la Gardie konnte kaum verbergen, dass er von der herablassenden Geste des Gastes peinlich berührt war. Den Marquis dagegen störte die plötzliche verlegene Stille offenbar überhaupt nicht. Er wandte sich ab und starrte weiter zum Fenster hinaus. Magnus lehnte sich zurück und strich sich über den blonden Bart. Im Schein der schwankenden Lichter wirkte er wie eine Statue, die zum Leben erwacht war.
Elin drückte sich, so tief sie konnte, in die gepolsterte Sitzlehne. Mit einem Mal wünschte sie sich zurück in ihre warme, überschaubare Küche. Die Kutsche war plötzlich viel zu klein für all diese Menschen. Emilia ha t te Recht. Die Adligen und die Küchenmädchen lebten nicht in derselben Welt. Sie hätte lieber zusehen sollen, wie das Pferd ihn bis zum vereisten Ufer des Mälarsees schleifte! Und sie hatte nicht übel Lust, einen Schne e klumpen vom Boden der Kutsche aufzuheben und ihm damit den arroganten Ausdruck aus dem Gesicht zu re i ben.
Im Winterlicht glich der Mälarsee einer mit Frost übe r zogenen
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