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Der Spiegel der Königin

Der Spiegel der Königin

Titel: Der Spiegel der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: balzon
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Festtafel! Ich will etwas tun. Es gibt Küchen hier – und Ställe.«
    Lovisa zog misstrauisch die Stirn kraus.
    »Wo wolltest du gerade hin? Doch nicht etwa in den Stall?«
    Elin strich verlegen ihren verrutschten Ärmel zurecht. Es hatte keinen Sinn, Lovisa etwas vorzumachen.
    »Zur Königin wollte ich«, gab sie zu. »Zum Audien z raum. Und wenn die Bauern und Geistlichen und Bürger ihre Bitten vorbringen, wollte ich sie fragen, ob ich bald eine Arbeit bekomme.«
    Das erwartete Donnerwetter von Lovisa blieb aus. Stattdessen seufzte die Hofdame tief und sah auf einmal sehr faltig und müde aus.
    »Ach Kind«, sagte sie leise. »Die Königin hat anderes zu tun, als sich um dich zu kümmern. Heute gibt sie ke i ne Audienz.« Ihre Stimme wurde strenger. »Wenn sie befiehlt, dass du in der Küche Töpfe scheuerst, wirst du es tun. Bis dahin lernst du das, was alle Mädchen im Schloss lernen. Wenn du so versessen darauf bist, dich nützlich zu machen, geh ins Zimmer und mach deine St i ckerei fe r tig.«
    »Das ist eine Arbeit für gelangweilte Witwen!«
    Lovisas Augen funkelten so gefährlich, dass Elin in Erwartung einer Ohrfeige den Kopf einzog. Aber Lovisa hatte sie noch nie geschlagen und auch jetzt fächelte sie sich nur mit einer zornigen Geste Luft zu. Ihre Löckchen wippten.
    »Na schön«, sagte sie scharf. »Dann verschwinde – ich hab genug von dir! Scher dich dorthin, wo du meinst, dass du hingehörst ! Geh von mir aus direkt in den Stall und biete dem Pferdeknecht deine Dienste an.«
    Mit diesen Worten raffte sie ihren schwarzen Rock und rauschte durch eine der Flügeltüren in das Zimmer, in dem die Hofdamen sich zum Nähen und Tratschen versammelt hatten. Im ersten Augenblick wollte Elin L o visa hinterherlaufen und sie um Verzeihung bitten. Doch dieser Augenblick verging. Lovisa hatte sie tatsächlich gehen lassen! Langsam wandte Elin sich um und blickte auf den langen, leeren Gang. Zum ersten Mal gehörte ein Stück der endlosen Zeit, die sie ansonsten dafür verwe n dete, das zu tun, was man ihr sagte, nur ihr allein. Am liebsten wäre sie losgerannt, so aber, in den hohen Sch u hen und mit dem schweren Rock, blieb ihr nichts anderes übrig, als sich gemessenen Schrittes fortzubewegen. Die Gemächer der Königin lagen im Ostflügel des Schlosses. Elin fasste sich ein Herz und machte sich auf den Weg.
    Das Schloss war ein Labyrinth mit tausenden von Winkeln. Manche Türen und Gänge waren versperrt, die Gardisten, die sie bewachten, musterten Elin mit finst e ren Gesichtern, bereit, die Hellebarden zu senken und sie zurückzuhalten, s ollte sie versuchen, den Raum zu betr e ten. Elin l ä chelte in sich hinein. Manchmal hatte es doch Vorteile, im Gewand eines Edelfräuleins herumzulaufen. Eine Scheuermagd hätten sie sofort davongejagt. Sie b e trac h tete die aus Stein gemeißelten Fruchtgirlanden über den Türen. Der in die Form von Trauben und Birnen g e hau e ne Sandstein war bunt bemalt. Aus anderen Winkeln blickten ihr Löwengesichter entgegen. Endlich erreichte sie den Ostflügel und blieb vor einem Wandteppich st e hen. Mit golddurchwirktem Garn war darauf eine bibl i sche Geschichte eingestickt, die sie von Lovisa kannte. Die Figuren von Ishmael und seiner Mutter Hager waren altertümlich dargestellt, aber so prächtig, dass Elin der Atem wegblieb. Rasch vergewisserte sie sich, dass ni e mand sie beobachtete, und streckte vorsichtig die Hand aus. Ihre Finger kribbelten, als sie behutsam die kostb a ren Stickereien berührte. Es war ein Gefühl, als hätte ihr jemand ein Geschenk gemacht. Mutiger geworden, ließ sie ihre Finger über vergoldete Bilderrahmen und Türb e schläge wandern, erwiderte die düsteren Blicke der A h nenbilder und berührte die Rüstungen, die wie Gespen s territter nur darauf zu warten schienen, die Lanze zu h e ben und anzugreifen. Am Fuß einer schmalen Treppe blieb Elin stehen. Das Gemälde, das hier hing, war a n ders als die Porträts und Tapisserien. Die Farben waren nicht dunkel und gedeckt – sie leuchteten! Es war, als blickte sie durch ein Fenster mitten in den Frühling. A l lerdings war es ein Frühling, wie Elin ihn noch nie erlebt hatte. Zartes Blau und goldenes Rosa vereinten sich zu purem Licht. Und mitten in dem blühenden Wald räkelte sich eine nackte Dame! Ihre Brüste waren unbedeckt – einen Zweig mit saftig grünen Blättern hielt sie lässig u nd kokett so, dass ihre Scham verdeckt war. Putten mit winzigen Flügeln schwebten über den

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