Der Spiegel der Königin
getäuscht. Stattdessen schwang die Flüge l tür auf und Axel Oxenstierna trat ein. Die Lehne drückte gegen Elins R ü cken, so sehr wünschte sie sich, einfach in der Wand zu verschwinden. Der Kanzler warf ihr jedoch nur einen mürrischen Seitenblick zu und wünschte dann der Kön i gin einen Guten Morgen. Bis auf einen Schreiber verli e ßen alle Sekretäre den Raum. Schon wollte Elin sich ebenfalls erheben, als eine knappe Geste der Kön i gin sie auf ihren Stuhl zurückb e fahl. Mit angehaltenem Atem beobachtete sie den Kanzler und die Königin d a bei, wie sie noch einmal die Beschlüsse des Tages durc h gingen. Ihre Vertrautheit ließ auf eine lange Bekann t schaft schließen. Königin Kristinas Stimme war b e stimmt, aber respektvoll, als sie mit dem alten Kanzler sprach. De n noch schienen ihre Ausführungen nicht seine Zusti m mung zu finden.
»Mit den Friedensverhandlungen in Westfalen sollten Sie nichts überstürzen«, sagte er. »Es gibt dringendere Dinge, die Ihrer Aufmerksamkeit bedürfen.«
Kristinas Stirn umwölkte sich, obwohl sie ihre Freun d lichkeit behielt und ein Lächeln auf ihrem Gesicht e r schien.
»Grundsätzlich stimme ich mit Ihnen überein«, an t wortete sie. »Allerdings sehe ich es als meine Pflicht an, den Krieg, an dem mein Vater sich im Namen von Schweden beteiligt hat, auch im Namen von Schweden wieder zu beenden.«
»Meiner Meinung nach wäre es wichtiger, wenn Sie zuerst die internen Angelegenheiten regeln, die Schw e den mehr betreffen als ein Krieg in Europa.«
»Wie könnte mich der Krieg weniger betreffen als meine Privatangelegenheiten ? Auf den Schlachtfeldern sterben täglich schwedische Männer«, erwiderte sie scharf. »Ganz zu schweigen von der Bevölkerung in den deutschen Städten und Dörfern, die entweder in alle Winde zerstreut oder so verarmt ist, dass die Menschen vor Hunger angeblich schon Gras essen. Soll Schweden etwa über entvölkerte Landstriche herrschen? Es ist me i ne Pflicht, die Brände zu löschen, die schon beinahe dreißig Jahre wüten.«
In der Pause, die folgte, glaubte Elin die Luft knistern zu hören wie vor einem Gewitter. Die Hand des Sekretärs verharrte in der Bewegung. Ein Tintentropfen löste sich von dem angespitzten Federkiel und zerplatzte auf der polierten Tischplatte.
»Mit der Frage Ihrer Heirat sind Sie weniger ungedu l dig«, wandte der Kanzler mit seiner ruhigen Stimme ein. »Sie ist keine › Privatangelegenheit ‹ , das wissen Sie selbst besser als ich. Das Fortbestehen der Dynastie hängt d a von ab. Sie müssen sich jetzt endlich für einen Hoc h zeitstermin entscheiden, Kristina.«
»Eine Heirat will wohl überlegt sein«, erwiderte die Königin liebenswürdig.
»Wie viele Jahre wollen Sie noch überlegen ? Sie sind öffentlich verlobt und haben Ihrem Vetter Ihr Verspr e chen gegeben. Ich habe Ihre Wahl nicht gebilligt, aber gut, auch Sie folgen Ihrem Herzen. Mehrmals hat Karl Gustav Sie schon um eine persönliche Unterredung in der Heiratsfrage ersucht, und Sie? Sie beschäftigen sich mit französischer Lebensart. Wie lange wollen Sie Ihren Bräutigam noch warten lassen?«
»Auf eine große Ehre kann man nicht lange genug wa r ten.« Kristinas versöhnliches Lächeln konnte kaum über den gereizten Unterton in ihrer Stimme hinwegtä u schen. Axel Oxenstierna seufzte, als wäre er ein resi g nierter, strenger Vater und die Königin seine trotzige Tochter.
»Manchmal verstehe ich nicht, was in Ihrem Kopf vorgeht, Kristina. Aber da wir gerade bei offenen Worten sind: Mir ist das Gerücht zu Ohren gekommen, Sie hätten dem Bürgerlichen Adler Salvius einen Sitz im Reichsrat versprochen, wenn er mit seinen Verhandlungen in Deutschland zu einem baldigen Friedensschluss beitr a gen würde ? «
»Wer hat Ihnen das zugetragen ? «
»Böse Zungen, die, wie ich doch sehr hoffe, etwas Falsches erzählen.«
Die Königin seufzte. Elin hatte das Gefühl, Zeugin e i nes Kampfes zu werden, in dem Worte wie Degen g e schwungen wurden. Mit einem Lächeln im Gesicht tr u gen hier zwei Gegner ein Scheingefecht aus und erkund e ten für den Ernstfall die Schwächen des anderen. Selbst Elin, die nicht wusste, wer Adler Salvius war, begriff, dass Axel Oxenstierna mit seiner Erwähnung einen wa r nenden Schlag gegen die Kön i gin geführt hatte.
»Bisher habe ich ihm noch gar nichts versprochen«, antwortete Kristina. »Und ich schätze die Arbeit Ihres Sohnes sehr und versichere Ihnen, dass seine Dienste als Unterhändler in
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