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Der Spiegel der Königin

Der Spiegel der Königin

Titel: Der Spiegel der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: balzon
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sie bald vor den Herrn treten.« Erleic h tert schlief Elin wieder ein.
    Es musste Tage später sein, als sie sich das erste Mal aufsetzte. Besorgt beobachtete Fräulein Ebba, wie Lovisa Elin unbarmherzig in eine sitzende Position schob und ihr half, die Beine aus dem Bett zu heben. Kristina stand mit verschränkten Armen neben der Tür.
    »Was denn, so schwach?«, spottete sie und lächelte verschmitzt. »Ich habe die Köpfe der Verräter im Schlosshof aufspießen lassen, willst du sie nicht sehen ? «
    »Regen Sie das Mädchen nicht mit solchen Schaue r geschichten auf, Majestät«, tadelte Lovisa die Königin.
    »Es wird noch viel schauriger, wenn sie einen Blick aus dem Fenster wagt«, erwiderte Kristina ungerührt. »Aber so wie sie aussieht, schafft sie es nicht einmal bis zum Tisch.«
    Elin biss die Zähne zusammen und schaute zum Gla s fenster. Draußen schien die Sonne! Auf Lovisa gestützt machte sie einen ersten Schritt und dann noch einen we i teren. Das Zimmer schwankte, aber sie tappte weiter, bis ihre Finger das Fensterbrett berührten. Im nächsten A u genblick war schon Kristina an ihrer Seite und legte den Arm um ihre Taille, damit sie nicht in den Knien ei n knickte. Ihr Griff war kräftig und bestimmt. Die Berü h rung tat gut und fühlte sich vertraut und warm an. Sie sahen sich an. Kristina lächelte.
    »Sieh nach unten und erschauere vor Furcht«, raunte sie Elin ins Ohr. »Das ist die Strafe für deinen Ungeho r sam.« Unten im Schlosshof stand Lars. Ein Lächeln e r laubte er sich bei Elins Anblick natürlich nicht, aber i m merhin erwiderte er i hr Winken. Bei der Handbewegung warf Enhörning den Kopf hoch. »Du hast dir das Pferd ohne Erlaubnis aus dem Stall geholt«, sagte Kristina. »Nun reite es gefä l ligst auch!«

 
     
     
    TEIL III
     

 
    Das Versprechen
     
     
     
    Irgendwann zwischen zwei Fieberträumen war das Haf e neis gebrochen. Als Elin sich das erste Mal wieder ankle i dete und mit Kristina und Fräulein Ebba auf die Nor d mauer ging, war ihr das Mieder zu weit geworden und aus dem Spiegel blickte ihr ein hohlwangiges Geschöpf en t gegen. Unter dem linken Schulterblatt pochte die empfin d liche Narbe. Stockholm erwachte aus dem Winterschlaf. Das Gewicht der Handelsschiffe brach das dünn geword e ne Eis. Bizarr gezackte Eisschollen bildeten ein bewegl i ches Muster auf dem Wasser. Die Familie Vaincourt hatte mit dem ersten Schiff das Land verlassen und Kurs auf Polen genommen, um den dortigen Botschafter zu bes u chen. Für Elin hatten sie einen höflichen Abschiedsgruß und einen Beutel mit silbernen französischen Ecus hinte r lassen. Elin nahm eine Münze aus dem Beutel und b e trachtete nachdenklich das bourbonische Wappenschild mit den drei Lilien und das Porträt des jungen Königs Louis XIV. Eine lange Locke fiel ihm bis auf die Schu l ter herab. Kristina war untröstlich über die Abreise ihrer Gä s te, aber immerhin amüsierte sie Elins Enttäuschung, keine persönliche Nachricht von den Vaincourts vorz u finden. »Ja, einen Feind zu verlieren ist ein großer Ve r lust«, sagte sie. Elin schwieg, doch das seltsame Gefühl in der M a gengrube blieb. Einen Feind zu verlieren w äre einfacher gewesen als jemanden, mit dem man einen A u genblick zwischen Leben und Tod geteilt hatte.
    Mit der Schneeschmelze und den ersten Regenfällen kamen die Probleme an der Schleuse, die einzige Durc h fahrt zwischen der Ostsee und dem Mälarsee und gleic h zeitig die einzige Verbindung zwischen der Stadtinsel und der Südstadt Södermalm. Zahlreiche Schiffe lagen hier, hochbordige Koggen zur Ostsee hin und kleinere Boote auf der Mälarsee-Seite. Elin begleitete die Königin zur Schleuse. Kristina wollte sich davon überzeugen, dass die Schleusentore so weit wie möglich geöffnet w a ren. Trotzdem gab es Überschwemmungen, die viele Häuser in Söderström verwüsteten. Aus leeren Augen starrten die Gesichter der Enthaupteten vom Südtor auf die Straßen. Elin suchte nach dem Mann mit dem Fede r hut, aber die Hinrichtung war so lange her, dass sie auch einen vertrauten Menschen unter den verfaulten Schädeln nicht wieder erkannt hätte.
    Doch das Leben wurde besser – so als hätte Elin den Preis bezahlt. Bei Hof behandelte man sie wie ein Kuri o sum. Tilda und die anderen Mädchen umsorgten sie plötzlich und Oxenstierna ließ ihr als Geschenk eine kleine silberne Brosche in Form eines Pferdekopfs anfe r tigen. Kristina gab ihr ein eigenes Gemach, das nicht weit von ihren

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