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Der Spiegel der Königin

Der Spiegel der Königin

Titel: Der Spiegel der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: balzon
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ein kleiner Junge. Elin winkte dem Kind zu und lächelte.
    Zahlreiche Hufspuren am Ufer des Mälarsees zeigten, wo vor einigen Stunden die Diener bereits vorausgeritten waren, um den Turnierplatz herzurichten. Fackeln und Laternen erhellten den Teil des Sees, auf den sie nun a b bogen. Weit hinaus ging es, mitten auf die Eisfläche. Das kratzende Geräusch der Kufen würde die Barsche und Hechte aufschrecken, die tief unten im Schlamm schli e fen. Elin fröstelte es bei der Vorstellung, samt ihrem Pferd im eisigen Wasser zu versinken. Wie Irrlichter ve r gessener Seelen leuchteten die Fackeln und tauchten den Turnierplatz in diffuses Licht.
    Diener hatten bereits Ringe an Stangen aufgehängt, die es in vollem Galopp vom Schlitten aus mit Lanzen herunterzu h angeln galt. Elin ritt an jedem Schlitten vo r bei, musterte den Kutscher, die Adligen, betrachtete j e den Han d schuh, jeden Mann, der ihr von der Statur her bekannt vorkam. Sie erntete viele erstaunte Blicke und hörte Damen tuscheln – einen Verdächtigen fand sie jedoch nicht. Schließlich wandte sie sich von den Schli t ten ab und sah sich nach der Jagdgesellschaft um. E n hörning riss den Kopf hoch, als hätte er ihren Schreck gespürt.
    Henri de Vaincourt saß auf einem weißen Koloss von einem Pferd, dessen Brust so breit wie eine Truhe war. Elin zwang sich zu einem freundlichen Gruß. Henris Blick glitt fassungslos über Enhörning.
    Das Lächeln, das Henris Vater ihr schenkte, glich e i nem Zähnefletschen. Heute hatte der alte Mann nichts Feines an sich – er sah aus wie ein Haudegen auf dem Schlachtfeld.
    »Ah, Mademoiselle! Wie ich sehe, begleiten Sie uns heute auf dem Ausritt in die Wälder, statt an den Spielen teilzunehmen ? «
    Enhörning spürte ihre Nervosität und begann zu tä n zeln.
    »Schlittenfahrten sind nichts für mich«, erwiderte Elin.
    »Ich bezweifle, dass Streitrösser eine bessere Wahl sind«, gab der Marquis zurück. Er warf seinem Sohn e i nen stechenden Blick zu. Elin fasste die Zügel fester und rang sich ein nervöses Lächeln ab. Ein Horn erscholl, die Reiter verabschiedeten sich von der Schlittengesellschaft und sammelten sich am Ufer des Sees. Vogelflinten wu r den geprüft. Elin lenkte Enhörning zu der Gruppe. Ihre Sinne waren bis aufs Äußerste gespannt. Drei weitere Frauen im Damensattel fanden sich ein und schüttelten die Köpfe über Elins Sattel.
    »Wie kommt es, dass mein Sohn nicht mit einem Pferd fertig wird, das sogar eine Bauernmagd reiten kann?«, zischte der Marquis dem jungen Grafen zu. »Warum sitzt du heute nicht auf dem Gaul?«
    »Wie Sie wissen, Vater, musste ich Mutter verspr e chen, dieses Pferd nicht mehr zu reiten.«
    Die Stimme des alten Vaincourt vibrierte vor Verac h tung.
    »Memme«, stauchte er seinen Sohn zusammen. »So l daten fragen nicht nach ihren Müttern, wenn es um Pfe r de oder Waffen geht. Ein Weib bist du! Nun, das Schlachtfeld wird dich bald lehren, als Feigling zu ste r ben oder als Mann zu leben.«
    Elin schämte sich, Zeuge einer solchen Demütigung zu werden. Irgendwie tat ihr Henri sogar ein wenig Leid. Rasch trieb sie Enhörning an und schloss zu den vord e ren Reitern auf. Auch hier war niemand, der dem Mann mit dem Federhut ähnelte. Wieder ertönte das Horn. Die Reiter johlten und gaben das Zeichen zum Galopp. E n hörning legte die Ohren an und schoss davon. Elin hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, was für große Sä t ze das Pferd machte. Der Schreck dauerte nur kurz, dann hatte sie mit einem Mal das Gefühl, auf Wolken zu re i ten.
    Unter ihr flog der Boden dahin. Sie überholte die a n deren Reiter, die ihr zuriefen, ihr Pferd zu zügeln. Die Wälder am Mälar trugen Schleier aus Reif – die sanfte Morgensonne tauchte sie in märchenhaftes Licht. Elin atmete die Winterluft ein und war glücklich. Erst als u n mittelbar hinter ihr regelmäßige Hufschläge erklangen, blickte sie sich um. Es war Henri de Vaincourt.
    Verbissen trieb er seinen Schimmel an. Elin drückte Enhörning die Fersen in die Flanken. Der Hengst span n te sich – und brach zur Seite aus! Plötzlich verlor sie das Gleichgewicht und wäre beinahe vom Pferder ü cken g e stürzt. Höhnisch winkte ihr der peitschende Schweif von Henris Schimmel zu. Der Graf blickte über die Schulter und grinste. Auf der Stelle vergaß Elin den Mann mit dem Federhut, sie vergaß jede von Lars ’ Lektionen und riss Enhörning herum. Die Wut durchströmte sie so jäh und heftig, dass ihre Wangen heiß zu

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