Der Spiegel der Königin
Elin neben Hampus auf einen Stuhl fallen. »Weißt du, was sie noch gesagt hat? Eine Frau kann kein Arzt we r den.«
»Nun, das dürfte allerdings stimmen. Aber du könntest natürlich einen Arzt heiraten.«
Elin lachte auf.
»Natürlich. Dich.«
»Das könntest du«, erwiderte Hampus. Mit einem Knall klappte er sein Buch zu und streckte sich auf se i nem Stuhl. »Vorausgesetzt, du wartest ein paar Jahre, bis ich mein Studium beendet habe und Professor geworden bin. Aber ein Professorengehalt wird kaum für eine F a miliengründung ausreichen. Ich müsste schon als Phys i kus bei einer Stadt angestellt werden. Wenn ich sehr viel Glück habe, nimmt ein Fürst mich als Leibarzt in seine Dienste, dann hätte ich wirklich genug Auskommen, um an Heirat denken zu können.« Er lächelte über Elins ve r dutztes Gesicht. »Alles Dinge, über die sich mein Freund Erik keine Sorgen machen muss«, sagte er. »Er ist ein Adliger und wird sein Auskommen einfach erben.«
Irritiert sah Elin ihren Freund an. Sie saßen direkt n e beneinander, eine Nähe, die Elin so vertraut war und die doch im Moment etwas Fremdes hatte.
»Machst du dir denn Gedanken … über das Heir a ten?«, fragte sie. Hampus seufzte und lächelte.
»Viel mehr Gedanken mache ich mir über mein Stud i um«, sagte er. »Ich wollte es dir ohnehin sagen: Meine Zeit in Stockholm ist bald vorbei. Ich kehre Anfang N o vember endgültig nach Uppsala zurück. Und im nächsten Sommer gehe ich zum Studium ins Ausland – nach Le y den.«
»Leyden«, wiederholte Elin leise. Hampus ergriff rasch ihre Hand.
»Ich werde dir schreiben«, versprach er. Und mit e i nem Zwinkern fügte er hinzu: »Und wenn Lovisa dir zu sehr auf der Nase herumtanzt, dann sage ihr, ich hätte dir versprochen, dich zu heiraten, wenn es kein anderer tut.«
Die Nachricht verbreitete sich im Schloss wie ein Lauffeuer. Kaum war der Eilkurier aus Münster im Schlosshof vom Pferd gesprungen, ging die Neuigkeit von Mund zu Mund: »Der Krieg ist vorbei!«
Elin stand an ihrem Fenster und sah in den Palasthof, wo das dampfende Pferd des Kuriers gerade zu den Sta l lungen geführt wurde. Es war der einunddreißigste Okt o ber und der Schnee fiel in dichten Flocken vom Himmel. Elin hörte die Rufe und das Trappeln von Schritten auf den Gängen, trotzdem rührte sie sich nicht vom Fleck. Statt in die Arbeitsräume zu gehen, sah sie dem Tanz der Flocken zu und dachte an Kristinas Worte: »Wenn der Krieg vorbei ist, kannst du gehen, wohin du willst.« Nur dass sie nicht mehr wusste, wohin sie gehen sollte. Sie konnte sich mit dem Kaufmann verloben. Oder sie kon n te sein Angebot ablehnen und ihr Leben zwischen B ü chern und anatomischen Tafeln weiterführen. Ohne Hampus allerdings, denn ihr Freund würde übermorgen abreisen. Bei dem bloßen Gedanken daran fühlte sie sich so einsam wie selten zuvor.
»Elin?«, erklang hinter ihr eine sanfte Stimme. Es war Hampus, natürlich. Neuerdings kleidete er sich wie ein Höfling. Es stand ihm nicht schlecht – er war wirklich ein gut aussehender Mann. Tilda und Linn é a hätten sich nach seinen Küssen gesehnt. »Die Königin lässt fragen, wo du bleibst. Sie hat angeordnet, dass wir sofort in die Kirche kommen sollen, wo sie für den Frieden ein T e deum lesen lässt.«
»Ich mache mich gleich auf den Weg«, sagte sie und lächelte Hampus an. Er trat neben sie ans Fenster und sah dem Trubel auf dem Schlosshof zu.
»Der Friede wurde am sechsundzwanzigsten Oktober ratifiziert – der Kurier war wirklich schnell. Aber unsere Königin lässt sich auch nicht gerade viel Zeit. Morgen Abend gibt sie ein Ballett zu Ehren des Friedens. Und da kein neues Stück geschrieben werden konnte, wird Frä u lein Ebba in ihrer Rolle tanzen. Die Gelehrten stellen schon in aller Eile ihre Rezitationen zusammen. Würdest du mit mir …«
»Natürlich«, erwiderte Elin ärgerlich. »Wenn du mich hier schon alleine zurücklässt, muss ich ja um jede Stu n de froh sein, die wir noch gemeinsam verbringen kö n nen.«
Das Lächeln in Hampus ’ Gesicht machte einer betr e tenen Miene Platz. Elin vermisste ihren Freund jetzt schon, sie vermisste ihn so sehr, dass es wehtat.
Das Hoftheater befand sich im obersten Stock des Schlosses. Es war ein riesiger Raum, der früher für große Bankette und Bälle genutzt worden war. Elin hatte den im italienischen Stil eingerichteten Saal schon oft bei den Bühnenproben gesehen, heute jedoch nahm ihr die Pracht den Atem. Kristalllüster
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