Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Spiegel von Feuer und Eis

Der Spiegel von Feuer und Eis

Titel: Der Spiegel von Feuer und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morrin Alex
Vom Netzwerk:
mir deinen Dolch, Parlen. Dann knie dich auf seinen Kopf.«
    »Was? Aber … Er würde uns nie …«
    Parlen starrte ihn entsetzt an.
    Gaeths Blick zuckte in die Höhe. »Und was war das eben? – Der Schmerz macht ihn verrückt! Er begreift nicht, dass wir ihm helfen wollen. Wahrscheinlich erkennt er uns gar nicht. – Frostfeuer, Parlen, wie lange soll er denn noch leiden? Tu endlich, was ich sage.«
    Ohne weiteren Widerspruch gehorchten sie – und der Wolf begann, unter ihnen zu kämpfen. Selbst mit vereinten Kräften konnten sie ihn kaum ruhig halten. Gaeth packte die Reste des Bolzenschaftes, stieß den Dolch direkt daneben in die Wunde – ein gellender Schrei, dann wurde das riesige weiße Geschöpf unvermittelt schlaff. Angeekelt warf Gaeth die eiserne Spitze zusammen mit dem, was von dem Schaft übrig war, von sich. Einen Augenblick sah er zu, wie Blut aus der Wunde quoll, dann bedeckte er sie behutsam mit dem Schnee aus dem Tuch, während er den anderen stumm zu verstehen gab, dass sie loslassen konnten. Sie traten gehorsam zurück, beobachteten, wie er schließlich Parlens Platz einnahm und den Wolfskopf auf seinen Schoß hob. Auf sein Nicken gesellten sie sich zum Rest des Rudels, das in respektvoller Entfernung um sie herum kauerte.
    Wie zuvor rieb er eines der weichen Ohren, träufelte von Zeit zu Zeit ein paar Tropfen geschmolzenen Schnees auf die aus der Schnauze hängende Zunge. Er wartete; konnte nichts anderes tun als warten. Für jeden von ihnen war der Wandel eine bewusste Entscheidung. Einige brauchten dabei in der ersten Zeit die Hilfe eines anderen, stärkeren Rudelmitglieds. So war es bei Kavan gewesen.
    Sanft kraulte er die Stelle zwischen den geschlossenen Augen. Eisen in ihren Körpern hielt sie in der jeweiligen Gestalt gefangen, sein Gift erschwerte den Wandel noch Stunden, nachdem es entfernt worden war. Nur der Tod nahm ihnen die Entscheidung ab. In dem Augenblick, in dem sie in die Zweite Welt gingen,
wurden sie wieder zu dem, was sie einst waren: Menschen. Er blickte zu den anderen hinüber. Inzwischen hatte er so viele kommen und gehen sehen …
    Seine Hand fuhr den schwarzen Aalstrich hinunter, wieder und wieder. Für einen Wolf war ein Streicheln wie das freundschaftliche – oder zärtliche – Belecken mit der Zunge, ein Kraulen erinnerte an sachtes Beknabbern. Seine Bemühungen wurden von einem schweren Schnaufen belohnt. Unter seinen Händen entspannte sich der mächtige Leib allmählich. Gaeths Finger kehrten zu den Ohren zurück. Wie lange hatte die Eisenspitze in seinem Hinterlauf gesteckt? Zwei Stunden? Drei? Am Ende sogar vier? Er wusste es nicht. Aber die Zeit hatte ausgereicht, um alles Blut, das mit ihr in Berührung gekommen war, in Gift zu verwandeln. Wie viel Zeit würde ihnen bleiben, bis es sich in seinem Körper ausgebreitet hatte und zu wirken begann? Ein Tag? Ein halber? Nur ein paar Stunden? Mehr als ein Rudelmitglied war an dem Gift des Eisens gestorben – und je mächtiger einer war, umso schlimmer wütete es.
    Als die großen Pfoten im Schnee zu zucken begannen, grub er seine Hand fest in das dichte Nackenfell. Kälte und geronnener Frost schienen um ihn herum zu wirbeln, dann war unter seinen Fingern glatte, kühle Haut.
    »Langsam! Lieg still!« Er übte ein bisschen mehr Druck aus, versuchte, den Mann, der jetzt neben ihm lag, ruhig zu halten – und wurde abgeschüttelt. Den Kopf auf der Brust, als sei er zu schwer, um ihn über die Schultern zu heben, setzte der andere sich mühsam auf. Nur langsam wandte sein Blick sich Gaeth zu. Schmerz und Benommenheit standen in den hellen Augen. Er blinzelte ein paar Mal, hob die Hände, um sich übers Gesicht zu fahren, erstarrte mit einem scharfen Keuchen, als sein misshandelter Körper selbst auf diese kleine Bewegung mit Schmerz reagierte, und blickte auf seine von den Stricken zerschundenen Handgelenke.
    Nach einem Moment berührte er seine wund gerissenen
Wangen, den Nasenrücken, den Mund mit der zerschnittenen Oberlippe. Gaeth schwieg, wartete. Eine brennend kalte Schicht aus Eis legte sich Fingerbreite für Fingerbreite über jeden Ast, umhüllte jede Dorne, kroch langsam Spanne für Spanne über den Schnee. Dicke weiße Flocken fauchten mit einem Mal, von harten Böen getragen, zwischen den Bäumen hindurch. Ein paar der Wölfe ließen ein Winseln hören. Die hellen Augen zuckten zum Rudel hin. Jäh kam das Eis zum Stillstand. Der Wind sank zu einem leisen Wispern herab, in dem die Schneeflocken sanft

Weitere Kostenlose Bücher