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Der Spiegel von Feuer und Eis

Der Spiegel von Feuer und Eis

Titel: Der Spiegel von Feuer und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morrin Alex
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Kopf, spähte über sie hinweg. Sie reckte sich, um seine Schnauze lecken zu können, versuchte, seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen. Es war zu spät, er hatte ihre Welpen entdeckt. Ihre Welpen, die ebenso wie sie sterben würden. Sie hatte keine Milch mehr für sie, weil sie selbst halb verhungert war. Langsam näherte er sich den zitternden Bündeln. Sanft stupste er sie an. Sie fiepten. Er sah von ihren Jungen zu ihr. Dann packte er das erste nur mit seinen Vorderzähnen im Nacken. Vorsichtig, ganz vorsichtig trug er es zu ihr. Das zweite und dritte folgten. Beim vierten stockte er. Er stieß es an, blies seinen warmen Atem über das weiche Fell. Wieder sah er zu ihr her. Sie winselte.
    Er nahm es auf, wollte es aus der Höhle tragen. Sie winselte lauter. Er zögerte, brachte es zu ihr zurück, legte es vor sie hin. Sie stupste das Junge an. Der Körper war kalt und starr. Zärtlich leckte sie das Fell ihrer Tochter. Sie war der letzte ihrer Welpen gewesen. Die kleinste und schwächste. Der große Weiße stieß sie sacht an, leckte ihr noch einmal die Schnauze. Dann nahm er die kleine Wölfin behutsam auf und trug sie in die Nacht hinaus. Die alte Wölfin zitterte, als sie hörte, wie er vor ihrer Höhle seine Stimme erhob. Er rief sein Rudel zu einer anderen Art Jagd.

    Er kam nicht. Cassim starrte auf die Tür und lauschte nur mit halbem Ohr Jornas’ Geschichte. Mit der Dunkelheit hatte es wieder zu schneien begonnen. Morgwen war immer noch nicht da. Es waren drei Fallen! Drei! Sie sah erneut zur Tür. Ich sollte mir keine Sorgen machen! Er kennt sich dort draußen aus! Er wird kommen! – Es waren drei Fallen! Und er weiß nichts davon! Vor einiger Zeit hatte irgendwo dort draußen ein Wolf geheult. Durch die Türen und Fensterläden gedämpft, hatte es weit entfernt geklungen,
und sie hätte nicht sagen können, ob es die Stimme eines einfachen Grauwolfes gewesen war oder die eines Firnwolfes. Ihre Hände hatten dennoch gezittert. Sie rieb sich übers Gesicht und blickte abermals zur Tür. Er wird kommen! – Und was ist, wenn er doch in die dritte Falle getreten ist? – Er hat noch nicht einmal einen Mantel. Abrupt schob sie den Stuhl zurück und stand auf. Alle Augen wandten sich ihr zu.
    »Ich … ich muss noch mal …« Sie gestikulierte zur Tür, während sie nach Morgwens Umhang griff.
    »Jetzt noch? Du wirst dir den Hintern abfrieren, Mädchen.« Der Bauer grinste sie an. Cassim warf sich den warmen Pelz über und flüchtete nach draußen. Ein paar Schritte vom Haus entfernt blieb sie stehen und blickte zum Wald hinauf. Was tue ich eigentlich hier? Selbst wenn ich wüsste, wo ich ihn suchen sollte … Sie schüttelte über sich selbst den Kopf, schaffte es aber nicht, das Bild aus ihren Gedanken zu vertreiben, das sich ihr immer wieder aufdrängte. Morgwen, halb erfroren, den Fuß in einer dieser entsetzlichen Fallen gefangen. Der Schnee darunter rot gefärbt. Er rief um Hilfe, immer wieder. Aber niemand hörte ihn. Nur ein Stück den Weg hinauf. Nur bis zum Waldrand. Oder vielleicht bis zu der Stelle, an der wir uns getrennt haben. – Ja, die dritte Falle ist bestimmt in der Nähe der beiden anderen ausgelegt. Wenn er wirklich in sie geraten ist, müsste ich ihn dort hören können. Ein letzter Blick zum Haus zurück, dann streifte sie die Kapuze über und lief los.
    Als sie den Waldrand erreichte, war sie außer Atem. Ihr Knie pochte dumpf. Sie drehte sich um, blickte zu dem kleinen Dorf zurück. Alles ruhig. Niemand schien sie zu vermissen. Zwischen den Bäumen glitzerte der frisch gefallene Schnee im Mondlicht wie mit winzigen Diamantsplittern übersät. Der Weg war darunter kaum noch zu erkennen. Langsam stieß sie die Luft aus, beobachtete die fahlen Wolken, in denen sie davontrieb, und verfluchte sich selbst dafür, dass sie keine Fackel mitgenommen hatte. Aber nachdem sie schon hier war, würde
sie nicht umkehren, ohne wenigstens ein kleines Stück in den Wald hineingegangen zu sein. Die Hände zu Fäusten geballt, setzte sie sich in Bewegung. Unter ihren Füßen knirschte der Schnee. Sie ging weiter, lauschte. Nichts! Nichts außer Knirschen und Zischen. Eine Bewegung zu ihrer Rechten. Sie fuhr herum. Es war nur der Schatten eines Baumes, der sich unter seiner Schneelast krümmte. Ihre Kehle war eng und sie schluckte mehrmals mühsam. Schritt für Schritt weiter. Langsam drehte sie sich um sich selbst. Die schweren Flocken bedeckten den Weg inzwischen vollständig und legten sich

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