Der Spiegel von Feuer und Eis
sie sich dann auf und tauchte das Tuch in das inzwischen nicht mehr ganz so heiße Wasser.
»Du hattest Glück. Gewöhnlich hinterlässt eine Feuerpeitsche sehr viel schlimmere Male. Kaylen scheint dich nicht richtig getroffen zu haben und das Leder deines Hemdes hat wohl auch noch einiges abgehalten.«
Vorsichtig betupfte sie die blauvioletten Linien, die sich deutlich auf seiner hellen Haut abzeichneten. Doch sie wirkten geradezu harmlos, verglichen mit den kleinen Wunden, die ihm die Handlanger des Prinzen mit ihren Spießen zugefügt hatten. Sie leuchteten in einem wütenden Rot, umgeben von einem Kranz kleiner Bläschen, die Cassim an Brandblasen erinnerten.
Hatte Morgwen die Behandlung der Striemen vollkommen regungslos über sich ergehen lassen, so zuckte er deutlich zusammen, als Gerdan sich diesen Verletzungen zuwandte. Einen Augenblick hielt sie inne, musterte ihn seltsam eindringlich, doch dann machte sie schweigend und behutsam weiter. Schließlich griff sie nach dem Tiegel und tupfte seinen Inhalt sacht auf Striemen und Wunden. Cassim sah ihr still dabei zu, wobei sie immer wieder auch Morgwen betrachtete. Sein Blick war eigenartig leer und abwesend. Nur irgendwo in seinen eisblauen Tiefen lohte etwas, das Kälte ihren Rücken hinabrinnen ließ.
Als auch der Schnitt an seinem Hals versorgt war, trat Gerdan hinter ihn und strich vorsichtig durch sein am Hinterkopf rot verklumptes Haar, bis sie die Platzwunde gefunden hatte. Sie blickte Cassim an. »Ich weiß, du bist müde und erschöpft, aber würdest du mir die Schüssel halten, damit ich deinem Gefährten das Blut aus den Haaren waschen kann, ehe ich den Balsam auftrage?«
Rasch stand Cassim auf, stellte sich neben Gerdan und hielt die Waschschüssel hinter Morgwens Nacken. Nur mit den Fingerspitzen
berührte die Priesterin des Herrn der Flammen seine Stirn, damit er den Kopf nach hinten beugte. Dann schöpfte sie mit der hohlen Hand Wasser und ließ es über seinen schwarzen Schopf rinnen, bis sie das geronnene Blut entfernt hatte. Ein kurzes Nicken bedeutete Cassim, dass sie die Schüssel auf den Tisch stellen konnte, während sie auch diese Wunde mit dem Inhalt des Tiegels betupfte.
»So!« Gerdan trat zurück und wischte sich die Hände an einem Tuch ab. Sie musterte Morgwen noch einmal, ehe sie nickte. »Für den Bluterguss auf deiner Wange kann ich nichts tun und auch deine Lippe wird wahrscheinlich besser ohne den Balsam heilen.« Ihre Augen wanderten zu Cassim. »Es ist noch genügend warmes Wasser da, dass auch du dich waschen kannst. Wenn du möchtest, helfe ich dir.«
»Ich weiß nicht, ob …«, verlegen sah Cassim zu Morgwen. Den jedoch schien mit einem Mal eine geradezu mörderische Müdigkeit befallen zu haben, denn er gähnte und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.
»Wenn es dir nichts ausmacht, krieche ich jetzt gleich unter die Decken und warte nicht, bis du mit allem fertig bist.« Er stemmte sich von dem Schemel hoch, streifte sie mit einem verhangenen Blick und tappte zu dem Lager aus Decken und Fellen. Schwerfällig ließ er sich darauf nieder, drehte sich zur Wand hin und streckte sich darauf aus. Cassim nickte Gerdan zu und zog rasch das Hemd über den Kopf.
Als sie eine kleine Weile später zu Morgwen auf die Felle kroch, bewegte sie sich langsam und vorsichtig, um ihn nicht zu wecken. Umso mehr erschrak sie, als er unvermittelt »Du riechst gut!« murmelte. Sie war ihm dankbar, dass er sich nicht umdrehte, denn sonst hätte er gesehen, wie ihre Wangen mit einem Mal in Flammen standen.
»Gerdan hat mir ihre Seife geliehen.« Cassim rutschte ein Stück näher und lehnte den Kopf gegen seinen Rücken. »Danke.«
»Aber bitte, Flammenkatze.« Ohne sich umzudrehen, langte er hinter sich und tätschelte ihr Bein durch die Decken. »Sauber mag ich dich lieber in meinem Bett.«
Ihr Fauchen entlockte ihm ein leises Lachen. Doch schon wenig später war sie eng an ihn geschmiegt eingeschlafen.
Als Cassim erwachte, ruhte ihr Kopf an Morgwens unverletzter Schulter, den Arm hatte sie quer über seinen Bauch gelegt. Beim Knarren der Luke und leisen Schritten auf den Stufen richtete sie sich vorsichtig auf, darauf bedacht, ihn nicht zu wecken. Doch wie immer genügte schon eine kleine Bewegung und er öffnete die Augen. Ein Speisebrett in den Händen, lächelte Gerdan ihnen entgegen.
»Guten Morgen – auch wenn es eigentlich schon später Nachmittag ist.« Sie stellte ihre Last auf dem Tisch ab, schob Teller und Becher
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