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Der Spiegel von Feuer und Eis

Der Spiegel von Feuer und Eis

Titel: Der Spiegel von Feuer und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morrin Alex
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Umstandes, dass eine Landratte – die obendrein noch ein Eisblut war – ihm hatte Befehle erteilen wollen, ein schaler Beigeschmack zurückgeblieben. Er behandelte Morgwen nur noch mit kühler Herablassung.
    Cassim beugte sich über die Reling, als sie unter sich ein Platschen vernahm. Eben schoss knapp neben dem Schiffsrumpf ein heller Leib in die Höhe und fiel sogleich ins glitzernde Wasser zurück.
    »Ein Flussnix!« An ihrer Seite hatte Morgwen sich, eine Hand am Tau, ebenfalls vorgelehnt. Die Schatten eines Schorfs waren die einzigen Hinweise darauf, dass er sich erst vor wenigen Tagen die Fingerknöchel blutig geschlagen hatte. »Der Sonnenschein und die Wärme müssen ihn an die Oberfläche gelockt haben. – Da! Schau! Da ist noch einer!«
    Cassim folgte seinem ausgestreckten Arm und entdeckte tatsächlich ein kleines Stück weiter eine zweite helle Gestalt, die zwischen und unter den Eisschollen dahinschoss.
    »Ich dachte, Nixe leben nur in Seen.« Unwillkürlich schauderte sie, als sie an das bleiche Gesicht mit den schillernden Augen zurückdachte, das sie, von weißem Haar umwogt, aus der Dunkelheit des Wassers angestarrt hatte. Dennoch beobachtete sie seltsam fasziniert, wie der fahle Leib immer wieder aus den Wellen emporschoss. Im Licht der Sonne funkelten und blitzten die Schuppen, die die bleiche Haut bedeckten.
    »Manche zieht es auch in die Flüsse. Ich habe schon oft gehört, dass sie die Schiffe begleiten, aber es noch nie selbst gesehen.«
    »Und wie oft warst du schon auf einem Schiff?«
    Morgwen löste den Blick für einen kurzen Moment von dem schmalen Körper, sah sie an und nickte. »Du hast recht. – Noch nicht allzu häufig.«

    Aufmerksam beobachtete Cassim den Nix, der immer noch neben dem Bug herschwamm. »Tun sie das auch im Meer? – Da! Sie bleiben zurück.« Das Klacken von Jornas’ Hufen auf den Decksplanken ließ sie aufblicken.
    Ehe Morgwen antworten konnte, tat es der Faun an seiner Stelle.
    »Nein. Das Salzwasser ist für sie tödlich. Im Meer leben nur die Necker-Völker. – Wie bei den Nixen sind ihre Krallen giftig und sie haben zusätzlich noch Giftstacheln den ganzen Rücken und den Fischschwanz hinunter. Sie sollen ziemlich bösartig sein.« Bei seinen letzten Worten sah er Morgwen an. Cassim hätte nicht sagen können, ob er noch immer von den Neckern sprach oder ob er den Mann meinte, der neben ihr an der Reling lehnte und eben die Arme vor der Brust verschränkte. Verwirrt runzelte Cassim die Stirn. Stimmte doch, was Maíre erzählt hatte, und die Krallen der Nixe waren wirklich giftig? Aber wie konnte das sein … Sie schaute zu Morgwen hinüber. Nein! Jornas und Maíre mussten sich irren. Als sie sich vor ihrem Aufbruch aus Jarlaith Morgwens Verletzungen noch einmal angesehen hatte, waren die Krallenspuren des Nix ebenso verschwunden wie die Striemen der Feuerpeitsche. Nur die kleinen Wunden, die Kaylens Männer ihm mit ihren Spießen zugefügt hatten, waren noch mit Grind bedeckt. Sie schienen nur langsam zu heilen.
    Ein Schrei von einem der Matrosen ließ alle drei herumfahren. Im nächsten Augenblick ging ein mörderischer Ruck durch den Rumpf der Adanahn. Begleitet von einem ohrenbetäubenden Knirschen und Knacken, kam das Schiff, leicht zur Seite und nach hinten geneigt, zum Stillstand. Als der Schreck Cassim aus seinen Klauen ließ, lag sie auf Händen und Knien. Jornas und Morgwen waren ebenfalls auf die Planken gestürzt. Die Schritte der Mannschaft hallten auf Deck wider. Kapitän Bailen brüllte Befehle, hektisch wurden die Segel gerefft. Die Wellen des Laith gurgelten um den Rumpf. Nur allmählich begriff
Cassim, was geschehen war: Sie waren auf eine Sandbank aufgelaufen.

    »Ihr wollt was?« Morgwen stemmte die Hände auf den Kartentisch in der großen Kajüte und blickte zuerst Kapitän Bailen an, dann Ernan. Nach beinah drei Stunden saß die Adanahn noch immer auf der Sandbank fest. Inzwischen stand die Sonne schon tief über dem Horizont.
    »Wir werden heute Abend nichts mehr unternehmen. Morgen, wenn die Sonne aufgegangen ist, schicke ich einen meiner Männer zu einem der Dörfer, um von den Leuten dort ein paar Jerne oder Sil-Ochsen zu borgen, mit denen wir die Adanahn freischleppen können. Während der Mann unterwegs ist, machen die übrigen sich daran, das Schiff zu entladen, damit es leichter wird.« Kapitän Bailen wiederholte die Worte, als spräche er mit einem schwachsinnigen Kind.
    Unheildrohend zogen Morgwens Brauen sich zusammen.

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