Der Spiegel von Feuer und Eis
natürlich nicht. – Aber ich werde nicht …« Ein Klopfen unterbrach ihn. Auf sein »Herein!« betrat Jornas den Raum und verneigte sich tief.
»Ihr habt nach mir rufen lassen, Hoheit.« Seine Miene verdüsterte sich, als er Morgwen entdeckte.
»Ja, ich habe nach Euch geschickt, Herr Faun.« Kaylen bedeutete ihm, die Tür zu schließen und näher zu treten, ehe er weitersprach. »Eure Begleiter bestehen darauf, Jarlaith noch heute zu verlassen.«
»Weshalb?« Er maß Morgwen mit einem erbosten Blick.
»Die Firnwölfe sind in Jarlaith.« Cassims Stimme klang so hilflos, wie sie sich fühlte.
Jornas wurde kalkfahl. »Was? Wie kann das …« Er sah zu Morgwen. »Du hast gesagt, wir hätten sie an der Brücke abgehängt.«
Er wurde mit schmalen Augen angefunkelt. »Ich habe gesagt, dass der Umweg über die Handelsstraße sie drei oder vier Tage kosten wird und dass wir mit der Brücke einen kleinen Vorsprung gewinnen. – Einen Vorsprung, den wir durch unseren
Aufenthalt in Jarlaith aufgegeben haben. Jetzt haben sie uns eingeholt.«
Der Faun sank auf den nächsten Stuhl. »Was sollen wir jetzt tun?«
»Wir verlassen Jarlaith noch heute«, teilte Morgwen ihm kalt mit.
»Nein! Ich verbiete es!« Kaylen ließ sich von dem frostglitzernden blauen Blick nicht einschüchtern, der ihn traf. »Ich werde nicht zulassen, dass Ihr Jarlaith verlasst.«
»Ach?« Beinah träge stieß Morgwen sich von dem Sims ab und machte ein paar Schritte in den Raum hinein. Auf den Fenstern erblühten Eisblumen. »Also sind wir doch Gefangene?« Jedes seiner Worte war ein dunkles Schnurren.
»Natürlich seid Ihr keine Gefangenen. Ihr seid meine Gäste …«
»Die sich trotzdem deinem Willen fügen müssen?« Morgwens Stimme war zu einem beinah verführerischen Flüstern herabgesunken. Irritiert blickte Gerdan auf die langsam immer höher schlagenden Feuerzungen im Kamin.
Auch Jarlaiths Prinz löste sich von seinem Schreibtisch. »Ich nehme die Gesetze der Gastfreundschaft sehr ernst, mein Freund. Es ist meine Pflicht, Euch zu beschützen.«
»Tatsächlich?«
»Tatsächlich!« Inzwischen schwang auch in Kaylens Ton Ärger. »Ich will Euch helfen.«
»Helfen? Indem du uns hier festhältst? Gegen unseren Willen?« Kaum mehr als einen Schritt von Kaylen entfernt blieb Morgwen stehen. Der Ausdruck in seinen Augen ließ Cassim zittern.
»Morgwen, bitte.« Ihre Worte verwandelten sich in fahlen Dampf. »Bitte, hör auf. – Vielleicht kann er uns ja wirklich helfen.«
Einen Moment lang war es still. Dann trat Morgwen steif zurück. »Wie?«
Kaylen räusperte sich. »Selbst wenn Ihr Jarlaith noch heute Nacht verlasst, glaubt Ihr, die Bestien des Eisprinzen werden Eure Spur nicht binnen kürzester Zeit wiedergefunden haben und Euch erneut verfolgen? Wie lange wird es wohl dauern, bis sie Euch stellen? Einen Tag? Eher weniger. – Wenn Ihr über Land reist, werden sie Euch binnen kurzer Zeit aufgebracht haben.« Unter einem Stapel Pergamente zog er eine Landkarte hervor und entrollte sie.
»Ihr wollt zum Weißen Avaën. – Nun, der Laith fließt in diese Richtung. Und zu dieser Jahreszeit ist er sogar ein langes Stück schiffbar.« Sein Finger folgte einer Linie. Über die Schulter schaute er Morgwen an. »Gebt mir ein paar Tage, um ein Schiff auszurüsten, und Ihr könnt gefahrlos auf dem Fluss reisen. Die Wolfsbestien des Eisprinzen können wohl kaum Eurer Spur auf dem Wasser folgen. Und bis alles bereit ist, seid Ihr im Palast sicher.« Sein Blick wanderte weiter zu Jornas und Cassim. »Nun, was sagt Ihr?«
Der Faun nickte. Auch Cassim war einverstanden.
»Wie schnell kann das Schiff bereit sein?« Morgwens Hände krallten sich in eine Stuhllehne.
Jarlaiths Prinz sah zu seiner Gemahlin, hob die Schultern. »Drei, vielleicht auch vier Tage, bis ich ein geeignetes Schiff gefunden habe und es bemannt ist.«
»Zwei Tage.«
Kaylen musterte ihn für einen Moment, neigte schließlich den Kopf. »Ich werde sehen, was ich tun kann«, versprach er.
Ein letztes Zögern, dann ließ Morgwen die Lehne los und trat zurück. »Zwei Tage«, wiederholte er noch einmal.
Hastig stand Cassim auf, als er zur Tür strebte. »Wo gehst du hin?«
Die Hand schon auf der Klinke, drehte er sich zu ihr um. »Keine Sorge! Ich werde Jarlaith nicht verlassen.« Sein Lächeln glich eher einem Zähnefletschen. Noch ehe sie etwas erwidern konnte, war er fort.
Prinz Kaylen empfing den Hauptmann seiner Leibgarde in seinem persönlichen Arbeitszimmer. Wortlos
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