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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Emberland
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Augen ist er ein Polizeibeamter, ein Mann also, der sein Leben der Aufrechterhaltung von Gesetz und Ordnung geweiht hat. Ihnen ist noch nicht aufgegangen, dass in Deutschland jetzt die schlimmsten Verbrecher in den Chefetagen der Polizei sitzen.«
    Ich schüttelte entmutigt den Kopf. »Und ich dachte, Heydrich sei Bordellbesitzer …«
    »Das ist er auch. Er besitzt in Berlin ein aus neun Zimmern bestehendes Etablissement. Alle Zimmer sind mit versteckten Mikrofonen ausgerüstet, die an Aufnahmegeräte angeschlossen sind. So wirbt er für den Nachrichtenapparat der Nazis neue Agenten an - eine sehr wirksame Form der Erpressung, wie Sie sicher verstehen. Aber das Bordell dient auch als wichtiges Instrument zur Überwachung der Parteigenossen. Hauptsächlich deswegen ist Heydrich zu einer heimlichen Achse geworden, um die sich das Naziregime dreht.«
    »Also ein gefährlicher Mann?«, konstatierte ich.
    »Mit Sicherheit! In Wirklichkeit ist es Heydrich, der die Fäden im Puppentheater des Dritten Reichs zieht.«
    Ich musste unwillkürlich lächeln. Bondi sah mich durchdringend an.
    »Tut mir leid«, sagte ich »Ich weiß, dass nichts Komisches daran ist. Aber Ihre Beschreibung dieses Heydrich lässt mich an eine Spinne denken.«
    »Überaus treffend. Heydrich sitzt reglos in der Mitte eines Netzes aus tausend Fäden, und er registriert jede auch noch so schwache Bewegung an jedem einzelnen. Er plant und befiehlt und lässt seine Agenten, deren Anzahl nach der Machtübernahme enorm gestiegen ist, alle Risiken eingehen.«
    »Aber ein paar schwache Stellen muss er doch wohl haben?«
    Bondi nickte. »Einige. Heydrich ist Pilot und liebt tollkühne Alleinflüge, das könnte schon bald zu seinem Tod führen. Eine weitere Schwäche sind Frauen. So oft er die Gelegenheit hat, durchstreift er Berlins Bars und Nachtcafes auf der Suche nach dem Typus, der seine Bedürfnisse befriedigt.«
    »Eine gefährliche Freizeitbeschäftigung für einen Polizisten.«
    »Richtig. Aber das ist rein gar nichts im Vergleich zu dem Risiko, dem er sich hier in Norwegen ausgesetzt hat. Noch nie zuvor habe ich erlebt, dass er sich derart bloßgestellt hätte. Das liegt wohl daran, dass er jetzt alles verlieren könnte. Ich habe nämlich seine größte Schwäche noch nicht erwähnt.«
    Bondi schwieg, während er sich eine neue Zigarette anzündete. Dann sagte er: »Heydrichs größte Schwäche ist die Tatsache, dass er einer von uns ist!«
     
    Der Kontrakt
     
    Ich starrte ihn ungläubig an. »Ein Mitglied der Organisation, meinen Sie?«
    »Ja.«
    »Wann hat er sich denn dort angemeldet?«
    Bondi setzte eine geheimnisvolle Miene auf. »Das hat er nie getan. Obwohl es sein Geburtsrecht ist, würden wir ihm dieses Angebot niemals machen.«
    Ich hatte genug von dieser Geheimniskrämerei. »Wenn Sie meine Hilfe brauchen, dann ist es doch wohl angemessen, dass ich erfahre, was Sie repräsentieren?«
    »Selbstverständlich. In dieser Situation habe ich keine andere Wahl, als das Joch des Schweigens abzulegen.«
    Er schwieg, als wolle er seine Kräfte sammeln, um fortzufahren.
    »Nun, lassen Sie es mich versuchen. Der Gründer unserer Organisation war der Baron und Rabbi Jacob Frank, der Mitte des 18. Jahrhunderts verkündete, dass alle Religionen über einen gemeinsamen Kern verfügten. Diesen Kern galt es zu finden, um die kosmische Wiederherstellung zu vollenden - das, was in der jüdischen Kabbala als >tikkun< bezeichnet wird.«
    >Kabbala<, >tikkun<, >kosmische Wiederherstellung<. Bondi sprach weiter in Rätseln.
    »Lassen Sie mich sehen, ob ich Sie recht verstanden habe«, unterbrach ich ihn. »Jacob Frank war also der Ansicht, alle Religionen seien gleichwertig?«
    Er nickte. »Die Glaubensvorstellungen, Traditionen und Rituale sind nur äußere Formen der einzelnen Religionen - eine Hülle, die den tatsächlichen Inhalt verbirgt. Nicht das Gesetz Mose ist wichtig, sondern das, was Rabbi Frank >die innere Thora< nannte.«
    »Zu jener Zeit sicher eine ziemlich kühne Behauptung?«
    »Ja, und die Verfolgungen blieben somit auch nicht aus. Frank und seine Anhänger wurden vom Rat der Vier Provinzen verbannt, weshalb sie keine andere Wahl hatten, als sich taufen zu lassen.«
    »Sie wurden also zu Christen?«
    Bondi räusperte sich.
    »Nun, eigentlich nicht. Für uns bedeutet so etwas nicht viel mehr, als sich einen neuen Mantel überzuwerfen. Im Geheimen praktizieren wir unseren Glauben weiter.«
    Ich konnte ein kleines Lachen nicht unterdrücken. Bondi

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