Der Spion, der aus der Kälte kam
Frau stieg aus und läutete an der Tür des ersten von einer Reihe kleiner, cremefarbener Bungalows. Sein Name, Le Mirage, stand in blaßblauen gotischen Schriftzeichen auf einer Eisentafel über der Tür. Im Fenster stand ein Schild, dass alle Zimmer besetzt seien.
Die Tür wurde von einer freundlichen, dicken Frau aufgemacht, die an der Fahrerin vorbei nach dem Wagen schaute. Sie kam freudestrahlend die Auffahrt herunter. Sie erinnerte Leamas an seine Kindheit, an eine alte Tante, die ihn geschlagen hatte, weil er Bindfaden vergeudete.
»Wie schön, dass Sie gekommen sind!« erklärte sie. »Wir freuen uns schrecklich.«
Kiever ging voran. Die Fahrerin stieg wieder in den Wagen. Leamas blickte die Straße zurück, die sie gerade gekommen waren. Hundert Meter entfernt hielt ein schwarzer Wagen, ein Fiat vielleicht, oder ein Peugeot. Ein Mann in einem Regenmantel stieg aus.
In der Diele schüttelte die Frau herzlich Leamas' Hand. »Willkommen in Le Mirage. Schöne Reise gehabt?«
»Sehr schön«, erwiderte Leamas.
»Sind Sie geflogen oder mit dem Schiff gekommen?«
»Wir sind geflogen«, sagte Kiever; »ein ausgezeichneter Flug.« Er hätte Inhaber der Fluggesellschaft sein können.
»Ich werde Ihr Mittagessen machen«, erklärte sie, »etwas Besonderes. Ich werde Ihnen etwas besonders Gutes machen. Was soll ich Ihnen bringen?«
»Guter Gott«, sagte Leamas leise, und die Türglocke läutete. Die Frau ging schnell in die Küche. Kiever öffnete die Eingangstür.
Er trug einen Regenmantel mit Lederknöpfen. Er hatte ungefähr Leamas' Größe, war aber älter. Leamas schätzte ihn auf ungefähr fünfundfünfzig. Sein Gesicht hatte eine ungesunde graue Farbe und scharfe Furchen. Er hätte Soldat sein können. Er streckte die Hand aus.
»Mein Name ist Peters«, sagte er. Seine Finger waren schlank und gepflegt.
»Hatten Sie eine gute Reise?«
»Ja«, sagte Kiever schnell, »ziemlich ereignislos.«
»Mr. Leamas und ich haben eine Menge zu besprechen. Ich glaube nicht, dass wir dich brauchen, Sam. Du könntest mit dem Volkswagen zur Stadt zurückfahren.«
Kiever lächelte. Leamas sah, wie erleichtert er war. »Auf Wiedersehen, Leamas«, sagte Kiever mit scherzender Stimme. »Viel Glück, alter Junge.«
Leamas nickte, ohne Kievers Hand zu beachten.
»Auf Wiedersehen«, wiederholte Kiever und ging still zur Eingangstür hinaus.
Leamas folgte Peters in einen rückwärtigen Raum. Vor den Fenstern hingen schwere, mit Fransen verzierte und kunstvoll in Falten geraffte Vorhänge. Das Fensterbrett war mit Topfpflanzen überladen, mit Kakteen, Tabakpflanzen und einem seltsamen Baumgewächs mit breiten weichen Blättern. Die Möbel waren schwer und pseudoantik. In der Mitte des Raumes standen ein Tisch und zwei geschnitzte Stühle. Auf dem Tisch lag eine schwere, rostrote Decke, die fast wie ein Teppich wirkte, und auf ihr waren vor jedem Stuhl Bleistifte und Papier bereitgelegt. Auf einer Anrichte standen Whisky und Soda. Peters ging hin und machte ihnen einen Drink.
»Hören Sie«, sagte Leamas plötzlich, »von jetzt an komme ich ohne Ihre Aufmerksamkeiten aus. Sie verstehen, was ich meine? Wir beide wissen, woran wir sind: wir sind Fachleute. Sie haben einen bezahlten Überläufer bekommen - viel Erfolg mit ihm. Aber tun Sie um Himmels willen nicht so, als wären Sie in mich verliebt.«
Es klang nervös, als ob er seiner selbst nicht ganz sicher sei.
Peters nickte. »Kiever sagte mir schon, Sie seien ein stolzer Mann«, bemerkte er unbefangen. Dann fügte er ohne Lächeln hinzu: »Warum sonst sollte sich ein Mann an Ladenbesitzern vergreifen?«
Leamas vermutete, Peters sei Russe, aber er war nicht ganz sicher. Peters' Englisch war nahezu vollkommen, er hatte die Ungezwungenheit und das Benehmen eines Mannes, der schon lange an zivilisierten Komfort gewöhnt ist.
Sie setzten sich an den Tisch.
»Kiever hat Ihnen gesagt, was ich Ihnen zahlen will?« erkundigte sich Peters.
»Ja. Fünfzehntausend Pfund, abzuheben auf einer Berner Bank.«
»Ja.«
»Er sagte, Sie würden im Lauf des nächsten Jahres vielleicht weitere Fragen haben«, sagte Leamas. »Sie seien zur Zahlung weiterer fünftausend bereit, wenn ich mich zur Verfügung hielte.«
Peters nickte.
»Diese Bedingung nehme ich nicht an«, fuhr Leamas fort. »Sie wissen so gut wie ich, dass sich das nicht machen läßt. Ich möchte in der Lage sein, die Fünfzehntausend abheben und dann verschwinden zu können. Ihre Leute haben eine rauhe Art, mit
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