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Der Spion, der aus der Kälte kam

Titel: Der Spion, der aus der Kälte kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Befragung nicht beendet? Vorher kann ich nicht freikommen?«
    »Das ist, grob ausgedrückt, die Lage.«
    »Was werden Sie mit mir machen, wenn das Verhör beendet ist?«
    Peters zuckte die Achseln. »Was schlagen Sie vor?«
    »Einen neuen Ausweis. Skandinavischen Paß vielleicht. Geld.«
    »Es ist reine Theorie, aber ich will es meinen Vorgesetzten empfehlen. Kommen Sie mit?«
    Leamas zögerte, dann lächelte er ein wenig unsicher und fragte: »Wenn ich nicht mitkäme, was würden Sie tun? Schließlich habe ich eine ganz nette Geschichte zu erzählen, wie?«
    »Geschichten dieser Art sind schwer nachzuweisen. Ich werde diese Nacht nicht mehr hier sein. Ashe und Kiever …«, er zuckte mit den Achseln, »was ergibt sich schon daraus?«
    Leamas ging zum Fenster.
    Ein Sturm kam über der grauen Nordsee auf. Er sah den Möwen zu, wie sie unter den dunklen Wolken kreisten. Das Mädchen war verschwunden.
    »Gut«, sagte er schließlich, »organisieren Sie es.«
    »Es gibt vor morgen kein Flugzeug in den Osten. Aber in einer Stunde fliegt eines nach Berlin. Das werden wir nehmen. Es wird sehr knapp werden.«
    Die passive Rolle, die Leamas an diesem Abend spielen mußte, ermöglichte es ihm, wieder einmal die trotz größter Einfachheit ungemein wirksamen Vorbereitungen zu bewundern, die Peters getroffen hatte. Der Paß war schon lange vorher ausgestellt worden. Die Zentrale mußte das arrangiert haben. Er war auf den Namen Alexander Thwaite, Reisender, ausgestellt und mit Visa und Grenzstempeln vollgepflastert - der alte, vielbenützte Paß eines Berufsreisenden. Der holländische Grenzbeamte auf dem Flugplatz nickte bloß und stempelte ihn achtlos, einfach weil es die Vorschrift verlangte. Peters war in der Reihe drei oder vier Plätze hinter ihm und nahm kein Interesse an den Formalitäten.
    Als er in die »Nur für Passagiere« reservierte Absperrung kam, erblickte Leamas einen Zeitungsstand. Dort war eine Anzahl internationaler Zeitungen ausgehängt: Figaro, Le Monde, Neue Zürcher Zeitung, Die Welt und ein halbes Dutzend britischer Tages- und Wochenblätter. Gerade als er hinsah, kam die Verkäuferin um den Kiosk herum nach vorn und steckte einen Evening Standard in den Zeitungsständer. Leamas ging schnell hinüber und nahm die Zeitung heraus.
    »Wieviel?« fragte er. Als er in seine Hosentasche griff, fiel ihm plötzlich ein, dass er kein holländisches Geld hatte.
    »Dreißig Cents«, erwiderte das Mädchen. Sie war ziemlich hübsch, mit dunklem Haar und einem lustigen Gesicht.
    »Ich habe nur zwei englische Shilling. Nehmen Sie das an?«
    »Ja, bitte«, antwortete sie, und Leamas gab ihr das Zweishillingstück. Er schaute sich um. Peters war noch an der Paßabfertigung und hatte Leamas den Rücken zugewandt. Ohne Zögern ging Leamas weiter zur Herrentoilette. Dort blätterte er schnell, aber sorgfältig die Zeitung durch, schob sie dann in den Abfallkorb und ging weiter nach draußen. Es stimmte: Sein Bild war zusammen mit einer kleinen, recht allgemein gehaltenen Unterschrift in der Zeitung. Er fragte sich, ob Liz das gesehen hatte. In Gedanken versunken ging er in den Warteraum hinüber. Zehn Minuten später bestiegen sie das Flugzeug nach Hamburg und Berlin. Zum erstenmal seit Beginn des Unternehmens hatte Leamas Angst.

11FREUNDE VON ALEC
    Am selben Abend erhielt Liz den Besuch der Männer.
    Liz Golds Zimmer war am Nordende von Bayswater. Darin standen eine Schlafcouch und ein Gasofen, ein recht hübscher, anthrazitgrauer, der auf eine moderne Art zischte, statt altmodisch zu rauschen. Sie hatte manchmal in seine Flammen gestarrt, wenn Leamas bei ihr war und das Gasfeuer als einzige Lichtquelle den Raum erhellte. Er lag dann auf der Couch, und sie saß neben ihm und küßte ihn oder hatte ihren Kopf an seinen gelehnt und beobachtete das Feuer. Sie vermied es, zuviel an ihn zu denken, weil sein Bild in ihrer Erinnerung dann immer zu verschwimmen begann. Deshalb ließ sie ihre Gedanken immer nur für kurze Augenblicke bei ihm verweilen, so wie man seine Augen über einen fernen Horizont schweifen läßt, und dann fielen ihr kleine Dinge ein, die er gesagt oder getan hatte, die Art, in der er sie bisweilen angesehen oder - was öfter vorgekommen war - nicht beachtet hatte. Das war das Schreckliche, wenn sie dachte: sie besaß nichts, wodurch sie sich an ihn hätte erinnern können - keine Fotografie, kein Souvenier, nichts. Nicht einmal einen gemeinsamen Freund - nur Miß Crail in der Bücherei, deren Haß auf ihn

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