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Der Spion, der aus der Kälte kam

Titel: Der Spion, der aus der Kälte kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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er Ford schlug, wenn Sie sich durch irgend etwas, das er gesagt oder getan hat, die leiseste Vorstellung davon machen können, dann sagen Sie es uns. Um Alecs willen.«
    Liz schüttelte den Kopf. »Gehen Sie, bitte«, sagte sie. »Bitte, stellen Sie keine Fragen mehr. Bitte, gehen Sie jetzt.«
    Als er zur Tür kam, zögerte der ältere Mann, nahm eine Karte aus seiner Brieftasche und legte sie vorsichtig auf den Tisch, als ob er Lärm machen könnte. Liz dachte, dass er ein sehr vorsichtiger Mann sei.
    »Wenn Sie jemals Hilfe brauchen - wenn irgendwas mit Leamas sein sollte - oder … Rufen Sie mich einfach an«, sagte er. »Verstehen Sie?«
    »Wer sind Sie?«
    »Ich bin ein Freund von Alec.« Er zögerte. »Noch etwas anderes«, fügte er hinzu, »eine letzte Frage. Wußte Alec, dass Sie … wußte Alec von der Partei?«
    »Ja«, antwortete sie bekümmert, »ich erzählte es ihm.«
    »Weiß die Partei von Ihnen und Alec?«
    »Ich sagte ja schon: Niemand hat etwas gewußt.« Dann schrie sie ihn mit plötzlich weiß gewordenem Gesicht an: »Wo ist er? Sagen Sie mir, wo er ist. Warum wollen Sie es mir nicht sagen? Ich könnte ihm helfen, sehen Sie das nicht? Ich könnte mich doch um ihn kümmern … Wenn er verrückt geworden ist - mir macht das doch nichts. Ich schwöre, ich … Ich habe ihm ins Gefängnis geschrieben. Ich weiß, dass ich das nicht hätte tun sollen. Aber ich schrieb ihm nur, er könne jederzeit zurückkommen. Ich würde immer auf ihn warten …« Sie konnte nicht mehr sprechen, sondern stand schluchzend mitten im Zimmer und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Der kleine Mann betrachtete sie.
    »Er ist ins Ausland gegangen«, sagte er gütig. »Wir wissen nicht genau, wo er ist. Er ist nicht wahnsinnig, aber er hätte Ihnen das alles nicht erzählen sollen. Es ist schade.«
    Der jüngere Mann sagte: »Wir werden dafür sorgen, dass man sich um Sie kümmert, wegen Geld und so weiter.«
    »Wer sind Sie?« fragte Liz noch einmal.
    »Freunde von Alec«, wiederholte der jüngere Mann. »Gute Freunde.«
    Sie hörte sie ruhig die Treppe hinunter und auf die Straße hinaus gehen. Von ihrem Fenster aus sah sie, wie sie in einen kleinen schwarzen Wagen stiegen und in Richtung des Parks davonfuhren.
    Dann erinnerte sie sich der Karte. Sie ging zum Tisch, nahm sie auf und hielt sie ans Licht. Es war eine Karte von der teuren Sorte. Solche Karten kosteten mehr, als ein Polizist sich leisten konnte, dachte sie. Prägedruck. Kein Dienstrang vor dem Namen, keine Polizeistation oder sonst etwas. Nur der Name. Wer hatte schon von einem Polizisten gehört, der in Chelsea wohnte? »Mister George Smiley. 9 Bywater Street, Chelsea.« Darunter die Telefonnummer.
    Das alles war sehr merkwürdig.

15AUFFORDERUNG ZUM TANZ
    Während Liz den Brief der Parteizentrale betrachtete, fragte sie sich, wie man wohl gerade auf sie gekommen war. Sie fand das etwas rätselhaft. Sie mußte zugeben, dass sie geschmeichelt war, aber warum hatten sie nicht vorher mit ihr gesprochen? Wer hatte ihren Namen ausgewählt, das Distriktskomitee oder die Zentrale? Aber ihres Wissens war sie doch niemandem in der Zentrale bekannt. Sie war freilich schon mit einigen Rednern zusammengekommen, und auf der Distriktsversammlung hatte sie dem Organisationsleiter der Partei die Hand geschüttelt. Vielleicht hatte sich dieser Mann vom Kulturaustausch ihrer erinnert. Er war ein gefälliger, etwas weibischer Mann, sehr liebenswürdig. Ashe war sein Name. Er hatte etwas Interesse an ihr gezeigt, und sie nahm an, dass er ihren Namen weitergegeben oder sich vielleicht selbst an sie erinnert hatte, als das Stipendium vergeben wurde. Ein seltsamer Mensch: er hatte sie nach der Versammlung ins »Black and White« auf einen Kaffee eingeladen, sie nach ihren Freunden ausgefragt. Dabei hatte er gar nicht verliebt getan oder so - sie hatte sich gedacht, dass er vielleicht schwul war, um ehrlich zu sein -, aber er hatte ihr unzählige Fragen über sie selbst gestellt. Wie lange sie schon in der Partei sei, ob sie Heimweh habe, da sie doch getrennt von ihren Eltern lebe? Ob sie viele Freunde habe, oder ob sie einen bestimmten vorziehe? Sie hatte sich nicht allzuviel aus ihm gemacht, aber seine Reden waren bei ihr gut angekommen: der Arbeiterstaat in der Deutschen Demokratischen Republik, der Begriff des Arbeiterdichters und all das. Bestimmt wußte er alles über Osteuropa, er mußte viel gereist sein. Sie hatte wegen seiner etwas belehrenden, gewandten Art vermutet, dass

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