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Der Spion, der aus der Kälte kam

Titel: Der Spion, der aus der Kälte kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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brillentragender Durchschnittsbürger, wahrscheinlich ein kleiner Angestellter, hatte ihm erzählt, dass es »so plötzlich gewesen« sei - er meinte natürlich »spontan« -, und für Hanby war dies nur ein weiterer Beweis dafür, wie leicht entflammbar die Masse unter dem System des Kapitalismus ist. Liz war ruhig geblieben, während Hanby sprach. Natürlich war hier niemandem ihre Beziehung zu Leamas bekannt. Dann wurde ihr bewußt, dass sie George Hanby haßte. Er war ein aufgeblasener kleiner Schmutzfink, der ständig zu ihr herüberschielte und dabei versuchte, sie zu berühren.
    Dann erschienen die Männer bei ihr.
    Liz fand, dass sie für Polizisten etwas zu elegant wären: sie kamen mit einem kleinen schwarzen Wagen, der eine Antenne auf dem Dach hatte. Der eine war klein und ziemlich dick. Er trug eine Brille und war sonderbar, aber sicherlich teuer gekleidet - ein freundlicher, sorgenvoll dreinschauender kleiner Mann, dem Liz irgendwie vertraute, ohne zu wissen, weshalb. Das Auftreten des anderen war glatter, doch ohne schmierig zu sein, er hatte etwas Jungenhaftes an sich, obwohl Liz ihn auf mindestens vierzig schätzte. Beide sagten, sie kämen von einer Behörde, und sie zeigten gedruckte, in Cellophanhüllen steckende Lichtbildausweise vor.
    Der Dicke führte die Unterhaltung.
    »Ich glaube, Sie waren mit Alec Leamas befreundet?« begann er. Liz wollte schon ärgerlich werden, aber der dicke Mann wirkte so ernst, dass es ihr töricht schien.
    »Ja«, antwortete sie. »Woher wissen Sie das?«
    »Wir sind neulich durch Zufall draufgekommen. Häftlinge müssen im Gefängnis ihre nächsten Verwandten angeben, Leamas sagte, er habe niemanden. Was, nebenbei bemerkt, eine Lüge war. Daraufhin fragte man ihn, wen man benachrichtigen solle, falls ihm etwas zustoßen sollte. Er nannte Sie.«
    »Ich verstehe.«
    »Weiß sonst noch jemand, dass sie in engen Beziehungen zu ihm standen?«
    »Nein.«
    »Sind Sie zur Verhandlung gegangen?«
    »Nein.«
    »War kein Journalist bei Ihnen, kein Gläubiger, überhaupt niemand?«
    »Nein. Ich sagte es doch schon. Niemand hat etwas davon gewußt. Nicht einmal meine Eltern, niemand. Wir haben zusammen in der Bibliothek gearbeitet, aber das weiß nur Miß Crail, die Bibliothekarin. dass darüber hinaus etwas zwischen uns war, wird auch Miß Crail kaum gemerkt haben. Sie ist ziemlich verschroben«, fügte Liz schlicht hinzu.
    Der kleine Mann betrachtete sie für einen Augenblick sehr eindringlich. Dann fragte er:
    »Waren Sie überrascht, als Leamas Mr. Ford zusammenschlug?«
    »Ja. Natürlich.«
    »Weshalb, glauben Sie, tat er es?«
    »Ich weiß nicht. Weil Ford ihm keinen Kredit geben wollte, nehme ich an. Aber ich glaube, dass er es schon länger vorhatte.« Sie fragte sich, ob sie wohl zuviel sagte, aber es drängte sie, mit jemandem darüber zu sprechen, und welchen Schaden sollte sie schon damit anrichten können?
    »Denn in der Nacht vorher unterhielten wir uns. Es war bei einem Abendessen - einem besonderen Abendessen, Alec wollte es so. Ich wußte gleich, dass es unsere letzte Nacht sein sollte. Er hatte irgendwoher eine Flasche Rotwein. Er schmeckte mir nicht besonders. Alec trank das meiste davon. Ich fragte ihn: ›Bedeutet das unsere Trennung?‹«
    »Was sagte er?«
    »Er sprach von einer Arbeit, die er noch zu machen habe. Ich hab's nicht ganz verstanden. Nicht wirklich.«
    Es entstand ein sehr langes Schweigen, und der kleine Mann sah bekümmerter denn je aus. Schließlich fragte er: »Glauben Sie das?«
    »Ich weiß nicht.« Sie hatte plötzlich große Angst um Alec, und sie wußte nicht, weshalb.
    Der Mann fragte: »Leamas hat zwei Kinder aus seiner Ehe. Hat er davon etwas erzählt?«
    Liz sagte nichts.
    »Dennoch hat er Ihren Namen als den der nächsten Anverwandten angegeben. Warum, glauben Sie, hat er das getan?« Der kleine Mann schien durch seine eigene Frage in Verlegenheit zu geraten. Er schaute seine dicken Hände an, die über seinem Bauch gefaltet waren. Liz errötete.
    »Ich liebte ihn«, erwiderte sie.
    »Liebte er sie?«
    »Vielleicht. Ich weiß nicht.«
    »Lieben Sie ihn noch immer?«
    »Ja.«
    »Sagte er je, dass er zurückkommen würde?« fragte der jüngere Mann.
    »Nein.«
    »Aber er sagte Ihnen Lebewohl?« fragte der kleine Mann schnell. Er wiederholte seine Frage langsam und freundlich: »Sagte er Ihnen Lebewohl? Es kann ihm nichts mehr geschehen, das verspreche ich ihnen. Aber wir wollen ihm helfen, und wenn Sie irgendeine Idee haben, warum

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