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Der Spion, der aus der Kälte kam

Titel: Der Spion, der aus der Kälte kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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gedrängt haben, sich irgend jemandem offenbaren zu können. Genosse Mundt hatte recht, sehen Sie, Leamas, dieser geschickte und erfahrene Agent, machte einen so elementaren Fehler, einen so menschlichen, dass …« Er lächelte. »Sie werden den Zeugen hören, aber noch nicht jetzt. Der Zeuge ist hier. Er wurde von dem Genossen Mundt herbeigeschafft. Es war eine bewundernswerte Vorsichtsmaßnahme. Ich werde später diesen Zeugen vernehmen.« Er sah ein wenig schelmisch aus, als wolle er sagen, man müsse ihm diesen kleinen Scherz schon erlauben. »Inzwischen möchte ich gern ein oder zwei Fragen an diesen Belastungszeugen wider Willen, Mr. Alec Leamas, richten.«
    »Sagen Sie mir«, begann er, »ob Sie ein gutsituierter Mann sind.«
    »Seien Sie nicht albern«, sagte Leamas kurz. »Sie wissen, wie man mich aufgelesen hat.«
    »Ja«, erklärte Karden, »es war meisterhaft. Ich darf also annehmen, dass Sie überhaupt kein Geld haben?«
    »Sie dürfen.«
    »Haben Sie Freunde, die Ihnen Geld leihen würden, es Ihnen vielleicht schenken würden? Ihnen die Schulden zahlen würden?«
    »Wenn ich die hätte, wäre ich nicht hier.«
    »Sie haben keine? Sie können sich nicht vorstellen, dass ein freundlicher Gönner, vielleicht jemand, den Sie fast vergessen haben, sich je damit befassen würde, Sie auf die Beine zu stellen, mit Gläubigern verhandeln würde und so weiter?«
    »Nein.«
    »Danke. Eine andere Frage: Kennen Sie George Smiley?«
    »Freilich kenne ich ihn. Er war bei uns im Rondell.«
    »Er ist jetzt aus dem britischen Geheimdienst ausgeschieden?«
    »Er ging nach dem Fall Fennan.«
    »Ah, ja - der Fall, in den Mundt verwickelt war. Haben Sie ihn seitdem je wiedergesehen?«
    »Ein- oder zweimal.«
    »Haben Sie ihn gesehen, seitdem Sie das Rondell verließen?«
    Leamas zögerte. »Nein«, sagte er.
    »Er hat Sie nicht im Gefängnis besucht?«
    »Nein, niemand hat mich besucht.«
    »Und bevor Sie ins Gefängnis kamen?«
    »Nein.«
    »Nachdem Sie das Gefängnis verlassen hatten - genau gesagt, am Tag der Entlassung -, wurden Sie von einem Mann namens Ashe angesprochen, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Sie aßen mit ihm in Soho. Wo gingen Sie hin, nachdem Sie sich getrennt hatten?«
    »Ich kann mich nicht erinnern. Wahrscheinlich in eine Wirtschaft. Keine Ahnung.«
    »Lassen Sie mich nachhelfen. Sie gingen schließlich zur Fleet Street und nahmen einen Bus. Von da an scheinen Sie kreuz und quer mit Bus, Untergrundbahn und privatem Wagen, ziemlich ungeübt für einen Mann Ihrer Erfahrung, nach Chelsea gefahren zu sein. Erinnern Sie sich daran? Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen den Bericht zeigen. Ich habe ihn hier.«
    »Sie haben wahrscheinlich recht. Was wollen Sie also?«
    »George Smiley wohnt in der Bywater Street, einer Nebenstraße der Kings Road, das ist der Angelpunkt. Ihr Wagen bog in die Bywater Street ein, und unser Agent berichtet, dass Sie vor Nummer neun abgesetzt wurden. Das ist zufällig Smileys Haus.«
    »Unsinn«, erklärte Leamas. »Ich glaube, ich fuhr zu den ›Eight Bells‹; das ist eines meiner bevorzugten Lokale.«
    »Mit einem Privatwagen?«
    »Das ist wieder Unsinn. Ich fuhr per Taxi hin, meine ich. Wenn ich Geld habe, dann gebe ich's aus.«
    »Aber warum dann die ganze Herumfahrerei vorher?«
    »Das ist ein Märchen. Man folgte wahrscheinlich dem falschen Mann. Das wäre typisch.«
    »Ich komme auf meine ursprüngliche Frage zurück: Sie können sich nicht denken, dass Smiley irgendein Interesse an Ihnen gehabt hätte, nachdem Sie das Rondell verlassen hatten?«
    »Großer Gott, nein.«
    »Weder an Ihrem Wohlergehen, nachdem Sie ins Gefängnis kamen, noch an Ihren Angehörigen, indem er Ihnen Geld gegeben hätte? Sie können sich nicht denken, dass er Interesse an einem Gespräch mit Ihnen gehabt haben könnte, nachdem Sie Ashe getroffen hatten?«
    »Nein. Ich habe keine Ahnung, worauf Sie hinauswollen, Karden, aber die Antwort ist: nein. Wenn Sie je Smiley begegnen, dann würden Sie diese Fragen nicht stellen. Wir sind uns so unähnlich wie nur möglich.«
    Karden schien damit sehr zufrieden zu sein. Er lächelte und nickte, als er seine Brille zurechtrückte und sich seinen Akten zuwandte.
    »O ja«, sagte er, als habe er etwas vergessen. »Als Sie den Krämer um Kredit ersuchten, wieviel Geld hatten Sie da?«
    »Keines«, sagte Leamas achtlos. »Ich war schon seit einer Woche pleite. Oder noch länger, glaube ich.«
    »Wovon hatten Sie gelebt?«
    »Von Kleinigkeiten, ich war krank gewesen,

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