Der Spion, der aus der Kälte kam
werden, dass er ihn nämlich nicht nur bezahlte, sondern dass es praktisch auch Mundts Material war, das er aus den Händen von Riemeck entgegennahm, um es nach London weiterzugeben.
Gegen Ende 1959 informierte Mundt seine Auftraggeber in London, dass er innerhalb des Präsidiums einen Mann gefunden habe, der als Vermittler zwischen ihm und London fungieren werde. Dieser Mann war Karl Riemeck.
Wie fand Mundt zu Riemeck? Wie konnte er es wagen, Riemeck zu einer derartigen Zusammenarbeit aufzufordern? Sie müssen sich die Ausnahmestellung Mundts vor Augen halten: Er hatte Zugang zu allen Sicherheitsakten, konnte Telefonleitungen anzapfen, Briefe öffnen, Beobachtungen machen lassen. Er konnte mit unbestrittenem Recht verhören, wen er wollte, und er hatte von allen ein bis ins Detail gehendes Bild ihres privaten Lebens. Vor allem konnte er sofort jeden Verdacht zum Verstummen bringen, indem er eben dieselbe Waffe gegen das Volk kehrte, die eigentlich für den Schutz des Volkes gedacht war.« Fiedlers Stimme zitterte vor Empörung.
Ohne Mühe kehrte er zu seiner sachlichen Sprechweise zurück und fuhr fort:
»Sie können jetzt erkennen, was London tat. Man behandelte Mundts Identität noch immer als strenges Geheimnis, stimmte stillschweigend der Anwerbung von Riemeck zu, und ermöglichte es, dass ein indirekter Kontakt zwischen Mundt und dem Berliner Büro hergestellt wurde. Darin liegt die Bedeutung von Riemecks Verbindung zu de Jong und Leamas. So sollten Sie Leamas' Aussagen interpretieren, so müssen Sie Mundts Verrat ermessen.« Er drehte sich um und rief, indem er Mundt voll ins Gesicht sah: »Dort sitzt der Saboteur, der Terrorist! Dort ist der Mann, der des Volkes Rechte verkauft hat!
Ich bin fast am Ende. Nur eines muß noch gesagt werden. Mundt hat sich den Ruf erworben, ein loyaler und aufrechter Beschützer des Volkes zu sein. Er hat für immer jene Zeugen zum Schweigen gebracht, die sein Geheimnis hätten verraten können. Er tötete also im Namen des Volkes, um seinen faschistischen Verrat zu decken und um seine eigene Karriere in unserem Amt zu fördern. Man kann sich kein schrecklicheres Verbrechen denken als dieses. Das ist der wahre Grund, warum er schließlich, nachdem er alles in seiner Macht Stehende zum Schutze des immer verdächtiger werdenden Karl Riemeck getan hatte, den Befehl zur sofortigen Erschießung Riemecks gab. Das ist der Grund, weshalb er Riemecks Geliebte ermorden ließ.
Wenn Sie dem Präsidium Ihr Urteil abgeben werden, dann schrecken Sie nicht davor zurück, die volle Abscheulichkeit der Verbrechen dieses Mannes zu erkennen. Für Hans-Dieter Mundt ist das Todesurteil eine Begnadigung.«
21DER ZEUGE
Die Vorsitzende wandte sich an den kleinen Mann im schwarzen Anzug, der Fiedler gegenübersaß.
»Genosse Karden, Sie sprechen für den Genossen Mundt. Wünschen Sie den Zeugen Leamas zu verhören?«
»Gewiß, gewiß. Das möchte ich dann gleich nachher«, antwortete er, während er mühselig aufstand und sich die Bügel seiner goldgefaßten Brille über die Ohren zog. Er war eine gütige Erscheinung, die etwas provinziell wirkte. Sein Haar war weiß.
»Genosse Mundt behauptet« - seine sanfte Stimme hatte einen recht angenehmen Klang -, »dass Leamas lügt. Genosse Fiedler ist - so behauptet Genosse Mundt - wissentlich oder durch eine Verkettung widriger Umstände in eine Verschwörung hineingezogen worden, durch die man die ›Abteilung‹ zu sprengen und damit die Organe zur Verteidigung unseres sozialistischen Staates in Mißkredit zu bringen hofft. Wir bestreiten nicht, dass Karl Riemeck ein britischer Spion war - dafür sind Beweise vorhanden. Aber wir bestreiten, dass Mundt zu dem Zweck eines Verrates an der Partei mit ihm unter einer Decke gesteckt oder Geld empfangen hat. Wir erklären, dass es keinen objektiven Beweis für diese Anschuldigung gibt und dass Genosse Fiedler von Machtträumen berauscht und vernünftigen Argumenten gegenüber taub geworden ist. Wir behaupten, dass Leamas von dem Augenblick seiner Rückkehr aus Berlin nach London eine Komödie gespielt hat, indem er seinen schnellen Verfall in Degeneration, Trunksucht und Verschuldung nur vortäuschte, dass er nur zu dem Zweck, die Aufmerksamkeit der ›Abteilung‹ zu erregen, antiamerikanische Gefühle äußerte und in aller Öffentlichkeit einen Kaufmann angriff. Wir glauben, dass um den Genossen Mundt vom britischen Geheimdienst mit voller Absicht ein Gespinst von Indizienbeweisen gelegt worden ist:
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