Der Spion der Fugger Historischer Roman
der Goldenen Schreibstube auf die früher übliche erste Befragung eines Gesandten durch den Regierer der Fugger. Stattdessen erschien nach einer ganzen Weile der Hauptfaktor in der Tür einer der bescheideneren Kanzleien und bat den spanischen Kurier zu sich herein.
Da der amtierende Fugger ohne erkennbares Talent für das Geschäft lieber seinen privaten Vergnügungen frönte, war Kaspar Peutinger im Augenblick der eigentlich mächtige Mann des Handelshauses. Er wirkte überraschend elegant in seiner nach Art der Fugger schwarzen Kanzleitracht, die für ihn aber offensichtlich aus seidenglänzendem Atlas gemacht war – ein Stoff, der gemäß allgemeiner Kleiderordnung nur Königen und Kaisern zustand, auf keinen Fall einem gewöhnlichen Kaufmann und erst recht nicht einem Angestellten eines Kaufmannshauses. Doch in den Räumen der Fuggerhäuser spielte dieses weltliche Recht wohl keine Rolle.
Doch Peutinger war nicht nur eitel, er war auch ein verschlagen wirkender Mann, dessen fischartige Augen nie offen und ehrlich, sondern immer wie aus einem Hinterhalt dreinzublicken schienen. Und genauso schaute er jetzt für einen Moment auf Amman Sachs, ehe er hinter sich und dem Nachrichtenboten die Tür zur Kanzlei wieder verschloss. So wartete der Agent weiterhin regungslos auf der Bank in diesem dunklen Flur des großen Fuggerhauses, dass er seine Geschichte erzählen konnte – jemanden, der in der Lage sein würde, die nun notwendigen und fälligen Entscheidungen zu treffen.
Während Amman Sachs so dasaß und sich wieder und wieder seine Geschichte neu zurechtlegte, die er – wem auch immer – erzählen würde, vernahm er nach einiger Zeit erhitzte Männerstimmen aus der so genannten Goldenen Schreibstube. Da der Hauptfaktor den Kurier zum Rapport geholt hatte, war Sachs davon ausgegangen, dass der aktuelle Regierer der Fugger auch heute nicht in seiner Kanzlei war. Doch das wütende Gezeter bezeugte diesmal etwas ganz anderes. Worüber dort allerdings so erregt gestritten wurde, konnte der brave Agent durch die geschlossene Tür nicht verstehen.
Erst als sich vom Innern der großen Kanzlei her jemand der Tür näherte, wurden die Stimmen klarer und verständlicher. Erregt schrie jemand: ». . . niemals deren Tod gewollt!« In diesem Moment wurde die schwere Tür aufgerissen, und ein Mann in indigoblauer Tracht mit großer weißer Halskrause trat sichtlich erzürnt in den Flur hinaus – und erschrak auf dem Schritt, sodass er mitten in seiner Bewegung innehielt.
Auch Amman Sachs hatte den Mann augenblicklich erkannt. Es war der unbekannte Engländer aus Nombre de Dios, den er dort als Gast des geheimen Fuggerfaktors angetroffen hatte. Es war ein Schock für den Agenten, dass genau dieser Mann ihm nun am anderen Ende der Welt im Machtzentrum der Fugger gegenübertrat. Mit allem hatte er gerechnet, aber nicht mit diesem völlig überraschenden Wiedersehen, und dann auch noch in einer so angespannten Situation.
Als der Engländer sich von seinem Schrecken erholt hatte, nickte er dem Schweizer mit dem Anflug eines Lächelns kurz zu, ging dann aber mit hastigen Schritten an ihm vorbei. Währenddessen erschien ein weiterer, wuchtiger und sehr aufwendig gekleideter Mann in sichtbar großer Erregung in der Tür der Goldenen Schreibstube. Er setzte an, dem davoneilenden Besucher ein paar Beschimpfungen hinterher zu schicken, als er den wartenden Amman Sachs bemerkte. Für einen Moment schien er sich zu besinnen; dann zwang er sich Beherrschung auf, schaute dem davoneilenden Engländer noch einmal hinterher und wandte sich dann an den Agenten, der sofort dienstbereit von seinem Platz aufsprang.
»Und Ihr? Was wünscht Ihr?« Amman Sachs vermutete in seinem Gegenüber Martin Fugger, jenen meist abwesenden Regierer, der derzeit das große Handelsimperium führte. Von Angesicht zu Angesicht hatte er diesen Mann noch nie getroffen und hatte eigentlich auch erwartet, dass dies bei den bekannten gesellschaftlichen und amourösen Neigungen des noch jungen Prinzipals so bald auch nicht der Fall sein würde. Martin Fugger hatte viele Jahre die Faktorei des Kaufmannshauses in Nürnberg geleitet und von dort die Bergwerksgeschäfte der Fugger im Osten mehr schlecht als recht geführt. So konnte es sein, dass er und Amman Sachs einander bisher nie über den Weg gelaufen waren. Und seit Anton Fugger das Zeitliche gesegnet hatte, waren schon einige Regierer gekommen und gegangen, während die verschiedenen Teile der großen Familie
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