Der Spion, der mich jagte - Green, S: Spion, der mich jagte - The Spy Who Haunted Me
waren, über totes Land hinweg, nur um eine Geisterstadt zu erreichen?
Es spielte keine Rolle. Es war Obdach. Und in der Stimmung, in der ich war, hätte ich den ganzen Ort niedergebrannt, nur um ein Feuer zu machen.
Die anderen drängten sich neben mir zusammen und sahen auf die Stadt auf der Ebene hinunter, zu kalt und taub und zu erschöpft, um selbst die offensichtlichsten Fragen zu stellen. Ich begann, den sanften Abhang herunterzugehen. Es ergab keinen Sinn, zu streiten. Wir hätten nirgendwo sonst hingehen können.
Wir folgten der einzigen Straße, die auf das Haupttor zuführte, das tief in die hohe Mauer eingelassen war. Das Ziegelwerk war vom Wetter stark angegriffen, aber es stand dennoch fest und stark, was mehr war, als man vom massiven Haupttor hätte sagen können. Irgendetwas hatte das Tor aus seinen Angeln gerissen und es auf den formlosen, kalten Boden außerhalb der Mauer geworfen. Das hätte gestern oder auch vor Jahren gewesen sein können; es gab keine Möglichkeit, das herauszufinden. Innerhalb der immens hohen Mauern lag die Stadt still, offen und völlig schweigend da. Die Straßen waren verlassen, ohne Zeichen von Leben in einem der Gebäude und ohne einen Laut irgendwo, der von Menschen oder Maschinen hätte stammen können. Eine kurze kyrillische Inschrift war tief in den Stein über dem Portal eingraviert.
»Kyrillisch!«, sagte Walker. »Wir sind in Russland! Kann jemand zufällig kyrillisch lesen?«
»Ich kann's«, sagte Honey.
»Na klar kannst du«, erwiderte ich. »Man sollte seinen Feind kennen. Also, was steht da?«
»Wahrscheinlich Ihr, die ihr eintretet, lasst alle Hoffnung fahren«, grummelte Peter.
»Naja«, sagte Honey und versuchte, ihre halb eingefrorene Stirn zu runzeln. »Ich kann zumindest einen Buchstaben und zwei Zahlen lesen: X25.«
»Oh, scheiße«, sagte ich.
»Das klingt irgendwie immer besonders schlimm, wenn er das sagt«, meinte Walker. »Was ist los, Eddie? Müssen wir annehmen, dass du diesen Ort kennst?«
»Wenn es irgendwie möglich wäre, woanders hinzugehen, würde ich das tun«, sagte ich. »So schnell ich kann. Ich kenne den Ruf dieser Stadt. Ich weiß, was sie ist und wozu sie da war. Und wir sollten nicht hier sein.«
»Ich will nach Hause«, sagte Peter kläglich.
»Russland«, sagte Honey nachdenklich. »Ich habe Kontakte hier. Wenn ich nur eine funktionierende Kommstation finden könnte ... Was ist denn so schlimm an diesem Ort, Eddie?«
»Das ist eine von den alten, geheimen Wissenschaftsstädten der Sowjets«, sagte ich. »Eine, die vor Jahren verlassen wurde. X25 heißt, dass wir uns im Tunguska-Territorium befinden, in Nordsibirien.«
»Warte mal«, sagte Peter. »Tunguska wie in ›Tunguska-Ereignis von 1908‹? Dann sind wir deswegen hier!«
»Das hoffe ich«, sagte ich. »In X25 gab es auch ein Geheimnis, aber ich glaube wirklich nicht, dass ich wissen will, was das ist. X25 war ein schlimmer Ort, an dem schlimme Dinge passiert sind und vielleicht immer noch passieren.«
»Zumindest bietet sie Obdach und die Möglichkeit warmer Kleidung und Nahrung«, sagte Walker. »Eines nach dem anderen.«
Und so wurden wir die ersten Menschen, die seit Jahren X25 betraten. Lämmer auf der Schlachtbank. Wir gingen die leeren Straßen auf der Suche nach einem passenden Laden entlang, in den man einbrechen konnte. Um unsere Gedanken von der Kälte und die anderen von zu vielen Fragen über X25 fürs Erste abzuhalten, zog ich meine Ein-Drood-ist-die-Quelle-allen-Wissens-Show ab und klärte sie über das auf, was ich über das große Tunguska-Ereignis wusste.
Im Jahr 1908, am 30. Juni um 7:17, traf in Nordsibirien etwas auf, das genug Kraft hatte, die ganze Welt zu erschüttern. Es war eine enorme Explosion im entfernten und unbewohnten Tunguska-Territorium, die man später auf eine Stärke von zehn bis zwanzig Megatonnen TNT bezifferte - stärker als jede Atombombe, die je explodiert war. Die Druckwelle der Explosion fällte um die 70 Millionen Bäume, entwurzelte sie und legte sie auf einer Fläche von 2000 Quadratkilometern völlig flach. Das Licht, das von diesem Einschlag verursacht wurde, war so hell, dass man in London um Mitternacht noch eine Zeitung auf der Straße lesen konnte, und hielt drei Tage an.
Aber der Vorfall wurde erst rund zwanzig Jahre später richtig untersucht. Der Erste Weltkrieg und die Russische Revolution lagen dazwischen, und die sowjetischen Behörden lehnten hartnäckig jedes ausländische Angebot
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