Der Spion der mich liebte
eigentlich recht alltäglich. Der gelegentliche freundschaftliche Kuß auf die Wange kam meinem Mund immer näher, und eines Tages landete er auf meinen Lippen. Es folgte eine Pause im Eroberungsfeldzug, während der ich mich an diese Art des Kusses gewöhnte, dann kam es zum ersten sanften Angriff auf meine Brüste, dann auf meinen Körper, alles verlief ganz gefällig, ganz ruhig, ohne Drama.
Ich hätte aber wissen müssen, daß es bei der Frau eine körperliche Liebe ohne seelische Verwicklung nicht gibt - das heißt, wenn das Verhältnis von längerer Dauer ist. Ich war so abhängig von ihm, daß es fast unmenschlich gewesen wäre, wenn nicht eine gewisse Art von Liebe für ihn aufgekeimt wäre. Ich hielt mir immer wieder vor, daß er humorlos war, unpersönlich, hölzern, ohne Sinn für Spaß und Freude, doch das änderte nichts an der Tatsache, daß ich nach seinem Schritt auf der Treppe lauschte, daß ich die Wärme und zwingende Kraft seines Körpers anbetete, daß es mich glücklich machte, für ihn zu kochen und zu nähen. Ich gestand mir selbst ein, daß ich mich zur braven kleinen Hausfrau entwickelte, im Geiste immer sechs Schritte hinter ihm ging wie ein eingeborener Träger, doch gleichzeitig mußte ich bekennen, daß ich glücklich war, zufrieden und sorglos und daß ich mich in Wirklichkeit gar nicht nach einem anderen Leben sehnte. Ich war erzogen worden, mich an den einfachen Dingen des Lebens zu erfreuen, und ich war glücklich, dieses einfache Leben wiedergefunden zu haben, nach einem kurzen Gastspiel auf den Partys und in den Nachtlokalen von Chelsea, meiner kurzen Karriere als Journalistin, ganz zu schweigen von meiner niederschmetternden Liebesgeschichte mit Derek. Und so erwachte in mir tatsächlich eine Art von Liebe zu Kurt. Und dann kam, was kommen mußte.
Bald nach Beginn unserer intimen Beziehungen hatte Kurt mich zu einer zuverlässigen Ärztin geschickt, die mir eine Vorlesung über Empfängnisverhütung hielt und mich dann auf die Liebe ohne Furcht einrichtete. Sie verhehlte mir allerdings nicht, daß trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen etwas schiefgehen konnte. Und so geschah es auch. Zuerst, in der Hoffnung, mich getäuscht zu haben, sagte ich Kurt nichts, doch dann, aus verschiedenen Beweggründen heraus - ich konnte das Geheimnis nicht länger allein tragen, ich hoffte leise, daß er sich freuen und mich bitten würde, ihn zu heiraten, und ich war in ehrlicher Angst über meinen Zustand -, sagte ich es ihm. Ich hatte keine Ahnung, wie er darauf reagieren würde, doch ich erwartete natürlich Zärtlichkeit, Teilnahme und zumindest eine Vorspiegelung von Liebe.
Wir standen an der Tür meines Schlafzimmers und wollten einander gute Nacht sagen. Ich war völlig unbekleidet, während er angezogen war. Als ich fertig war, löste er stumm meine Arme von seinem Hals, musterte meinen Körper von oben bis unten mit einem Blick, in dem sich Verachtung und Zorn mischten, und griff nach der Türklinke. Dann sah er mir kalt in die Augen und sagte ganz leise: »So?« Danach verließ er das Zimmer und schloß die Tür lautlos hinter sich. Ich setzte mich auf den Bettrand und starrte die Wand an. Was hatte ich falsch gemacht? Was bedeutete Kurts Verhalten? Schwach und voll düsterer Vorahnungen kroch ich in mein Bett und weinte mich in den Schlaf. Mein Weinen war begründet gewesen. Am nächsten Morgen, als ich ihn zu unserem allmorgendlichen Gang ins Büro abholen wollte, war er bereits gegangen. Als ich das Büro betrat, war die Verbindungstür zu seinem Zimmer geschlossen, und als er nach ungefähr einer Viertelsrunde die Tür öffnete und mir ankündigte, daß wir etwas zu besprechen hätten, war seine Miene eiskalt. Ich ging in sein Büro und setzte mich. Zwischen uns stand der Schreibtisch: ich war wieder eine Angestellte, die ihrem Chef Rede und Antwort stehen mußte -die an die Luft gesetzt wurde, wie sich herausstellen sollte.
Der Kern seiner Rede, die er in sachlichem Ton vortrug, war folgender: In einem kameradschaftlichen Verhältnis, wie es zwischen uns bestanden hatte, war es von wesentlicher Bedeutung, daß alles reibungslos und ordentlich ablief. Wir waren gute Freunde gewesen, doch ich werde zugeben müssen, daß von Heirat niemals die Rede gewesen sei, daß zwischen uns keine festere Bindung bestanden hätte als die befriedigende, von gegenseitigem Verständnis erfüllte Gemeinsamkeit zweier Kameraden. Die Beziehung war in der Tat höchst erfreulich gewesen, doch jetzt war es
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