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Der Spion der mich liebte

Titel: Der Spion der mich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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Uhr war von Verwüstungen und großen Schäden die Rede, einem Massenzusammenstoß auf der Staatsstraße 9, Überflutungen der Bahnverbindung bei Schenectady,
    Verkehrsstauungen in Troy. Ich konnte mir das Chaos auf den Straßen vorstellen, das wilde Durcheinander in den Städten und fühlte mich geborgen wie auf einer einsamen Insel. Mein Glas war fast leer. Ich gab noch ein paar Eiswürfel dazu, steckte mir eine neue Zigarette an und machte es mir in meinem Sessel bequem, während ein Plattenjockey eine halbe Stunde Dixieland Jazz ankündigte.
    Kurt hatte für Jazz nichts übrig gehabt. Er hatte ihn dekadent gefunden. Er hatte mich auch dazu gebracht, das Rauchen und Trinken aufzugeben, keinen Lippenstift mehr zu benutzen, und mein Leben wurde zu einer ernsthaften Wanderung durch Kunstausstellungen, Konzertsäle und Vortragsreihen. Es war eine willkommene Abwechslung nach meinem inhaltlosen Leben, und ich muß sagen, daß die teutonische Diät der Schwerblütigkeit, die dem kanadischen Charakter innewohnt, zusagte.
    V.W.Z., der Verband Westdeutscher Zeitungen, war eine selbständige Presseagentur, die von westdeutschen Zeitungen finanziert wurde und etwa auf der Linie von Reuter liegt. Kurt Rainer vertrat die Agentur in London, und als ich ihn kennenlernte, war er auf der Suche nach einem englischen Mitarbeiter, der Tages- und Wochenzeitungen auf Meldungen durchlesen sollte, die für Deutsche von Interesse waren, während er selbst sich um politische Berichte und Sonderaufträge kümmerte.
    An jenem Abend führte er mich zum Essen zu Schmidt in der Charlotte Street. Die Ernsthaftigkeit, mit der er von der Wichtigkeit seiner Aufgabe und deren Auswirkung auf die englisch-deutschen Beziehungen sprach, war fast rührend. Er war ein kräftig gebauter, sportlicher junger Mann von dreißig Jahren, dessen helles blondes Haar und offene blaue Augen ihn jünger wirken ließen, als er tatsächlich war. Er erzählte mir, daß er aus Augsburg stammte und das einzige Kind eines Arztehepaares war, das von den Amerikanern aus einem Konzentrationslager gerettet worden war. Kurt hatte ein Gymnasium in München besucht und danach die Universität, um Journalist zu werden. Er hatte für Die Welt gearbeitet und war dann auf Grund seiner guten englischen Sprachkenntnisse für den Posten in London ausgewählt worden. Er fragte mich nach meiner Beschäftigung, und am folgenden Tag suchte ich ihn in seinem Zweizimmerbüro in der Chancery Lane auf und zeigte ihm einige meiner Arbeiten. Gründlich wie er war, hatte er über mich durch Freunde beim Presseklub bereits Erkundigungen eingezogen, und eine Woche später saß ich auch schon in dem Zimmer neben dem seinen am Schreibtisch. Ich bekam ein ausgezeichnetes Gehalt - dreißig Pfund in der Woche - und bald liebte ich meine Arbeit. Besonderen Spaß machte es mir, mich über Fernschreiber mit der Zentrale in Hamburg zu unterhalten und meine Berichte durchzugeben. Es fiel nicht schwer ins Gewicht, daß ich kein Deutsch sprach, denn abgesehen von Kurts Berichten, die er per Telefon durchgab, wurden alle meine Meldungen in englischer Sprache weitergegeben und dann in Hamburg ins Deutsche übersetzt. Es war eine ziemlich mechanische Aufgabe, doch man mußte schnell und genau arbeiten, und ich erwartete immer mit einer gewissen Spannung die Ausschnitte aus den deutschen Zeitungen, die mir verrieten, ob meine Meldung ein Erfolg oder ein Fehlschlag gewesen war. Bald war Kurt von meiner Zuverlässigkeit so überzeugt, daß er mich allein im Büro schalten und walten ließ, und oft mußte ich in dringenden Fällen selbständig handeln, mit dem erregenden Bewußtsein, daß zwanzig Zeitungsredakteure in Deutschland sich auf meine Schnelligkeit und Genauigkeit verlassen mußten. Dann kam Susans Hochzeit, und ich zog in eine kleine möblierte Wohnung am Bloomsbury Square. Kurt wohnte in dem gleichen Haus. Ich hatte mir zweifelnd die Frage gestellt, ob das eine glückliche Lösung war, doch Kurt war so korrekt, unsere Beziehung zueinander so kameradschaftlich, daß ich zu dem Schluß kam, es sei vielleicht gar nicht unvernünftig. Das war dumm von mir. Abgesehen davon, daß Kurt wahrscheinlich mein bereitwilliges Eingehen auf seinen Vorschlag, in, dasselbe Haus zu ziehen, mißverstand, wurde es jetzt selbstverständlich, daß wir vom Büro zusammen nach Hause gingen. Wir nahmen häufiger als zuvor das Abendessen gemeinsam ein, und später, aus Gründen der Sparsamkeit, brachte er seinen Plattenspieler mit

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