Der Spion der mich liebte
in mein Wohnzimmer, und ich kochte für uns beide. Natürlich sah ich die Gefahr und erfand ein paar Freunde, mit denen ich angeblich abends des öfteren zusammen war. Doch dadurch war ich gezwungen, nach einer einsamen Mahlzeit allein in irgendeinem Kino zu sitzen und männliche Aufdringlichkeiten abzuwehren. Und Kurt verhielt sich so korrekt, und unsere Freundschaft blieb so klar und voll gegenseitiger Achtung, daß meine Bedenken allmählich verflogen und ich mehr und mehr auf dieses kameradschaftliche Nebeneinander einging, das durch keinerlei Hintergedanken getrübt schien. Ich war mir dessen um so sicherer, da Kurt, nach etwa drei Monaten dieses friedlichen Lebens, mir bei seiner Rückkehr von einem Besuch in Deutschland mitteilte, daß er sich verlobt habe. Sie war eine Jugendfreundin namens Trude und paßte offenbar glänzend zu ihm. Sie war die Tochter eines Philosophieprofessors, und die ruhige Zuversicht ausstrahlenden Augen, die mich aus den Fotos anblickten, die er nur zeigte, das geflochtene Haar, das knapp sitzende Dirndl, waren lebende Werbung für Kinder, Kirche und Küche.
Kurt ließ mich an allem, was ihn bewegte, teilhaben, übersetzte mir Trudes Briefe, erörterte die Zahl der Kinder, die sie zusammen haben wollten und fragte mich um Rat, wie sie ihre Wohnung einrichten sollten, die sie sich in Hamburg kaufen wollten, sobald sein Dreijahresvertrag in London abgelaufen war. Kurt hatte auch ihr Geschlechtsleben bis ins kleinste geplant, und die Einzelheiten - er bestand darauf, mich in alles einzuweihen, obwohl ich das eigentlich pervers fand - waren zu Anfang peinlich, doch später, weil er so wissenschaftlich über das Thema sprach, fand ich diese Gespräche sehr aufschlußreich.
Die Monate verstrichen, und allmählich trafen Trudes Briefe seltener ein. Mir fiel es zuerst auf, doch ich sagte nichts. Häufiger und gereizter beschwerte sie sich über die lange Wartezeit, die zärtlichen Passagen wurden banaler, und die Freuden eines Sommerurlaubs am Tegernsee, wo Trude eine »fröhliche Gesellschaft« kennengelernt hatte, wurden nach einer ersten begeisterten Schilderung bezeichnenderweise nicht mehr erwähnt. Und dann, nachdem Trude drei Wochen lang nichts hatte hören lassen, erschien Kurt eines Abends in meiner Wohnung mit bleichem, tränennassem Gesicht. Ich lag auf dem Sofa und las, als er neben mir auf die Knie fiel und seinen Kopf auf meine Brust legte. Es sei alles vorbei, gestand er mir schluchzend. Sie hatte einen anderen kennengelernt, natürlich am Tegernsee, einen Arzt aus München, der Witwer war. Er hatte sie gebeten, seine Frau zu werden, und sie hatte den Antrag angenommen. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen. Kurt müßte verstehen, daß einem Mädchen nur einmal im Leben so etwas widerfuhr. Er müßte ihr verzeihen und sie vergessen. Sie wäre nicht gut genug für ihn - da war sie wieder, diese billige Phrase! -, und sie müßten gute Freunde bleiben.
Kurts Arme umschlangen mich verzweifelt. »Jetzt habe ich nur noch dich«, sagte er schluchzend. »Du mußt Verständnis haben. Du mußt mich trösten.«
Mit einer mütterlichen Bewegung strich ich ihm über das Haar, während ich überlegte, wie ich seiner Umarmung entschlüpfen könnte. Und doch schmolz ich gleichzeitig beim Anblick der Verzweiflung dieses starken Mannes, bei der Erkenntnis, daß er mich brauchte. Ich bemühte mich, meiner Stimme einen sachlichen Ton zu geben. »Also, wenn du mich fragst, ich finde, du hast noch Glück gehabt. Ein Mädchen, das so wandelbar ist, wäre dir niemals eine gute Frau geworden.« Ich richtete mich auf. »Wir gehen jetzt essen und dann ins Kino. Das lenkt dich ab. Es hat keinen Sinn, einer verlorenen Sache nachzuweinen. Komm jetzt!« Ich befreite mich aus seiner Umarmung, und wir standen beide auf. »O Viv«, sagte Kurt mit hängendem Kopf. »Du bist wirklich gut zu mir. Ein echter Freund in der Not - eine echte Kameradin. Und du hast recht, ich darf mich nicht wie ein Schwächling aufführen. Da mußt du dich ja meiner schämen. Und das könnte ich nicht ertragen.« Er blickte mich mit einem gequälten Lächeln an, trat zur Tür und ging hinaus. Zwei Wochen später hatten wir ein Verhältnis. Es war irgendwie unausweichlich. Ich hatte gewußt, daß es so kommen würde, und ich tat nichts, um meinem Schicksal zu entgehen. Ich liebte ihn nicht, und doch waren wir uns in vieler Hinsicht so nahegekommen, daß der nächste Schritt einfach folgen mußte. Die Einzelheiten waren
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