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Der Spion der mich liebte

Titel: Der Spion der mich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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Angst vor der nächsten Kugel. Aus dem Fenster des letzten Gästezimmers fielen klirrend Scherben. Dann eilte ich um die Ecke. Als ich mich unter den tropfenden Ästen der Bäume verbarg, hörte ich, wie ein Motor ansprang. Was sollte das bedeuten?
    Ich kämpfte mich mühsam vorwärts. Die nassen Äste der Fichten peitschten meine Arme, die ich über das Gesicht gelegt hatte. Es war stockdunkel, und ich konnte nicht einmal einen Meter weit sehen. Und dann wurde es plötzlich hell. Ich schluchzte verzweifelt auf, als mir klar wurde, weshalb der Motor des Wagens angelassen worden war. Die Scheinwerfer hatten mich erfaßt. Als ich versuchte, dem Lichtschein zu entrinnen, hörte ich das Brummen des Motors, als der Fahrer die Position des Wagens änderte, und gleich darauf war ich wieder in einem Lichtkreis gefangen. Ich mußte die Richtung einschlagen, die die Bäume mir gestatteten. Ich war kaum weiter als dreißig Meter in den Wald eingedrungen. Mein Atem ging keuchend. Die Fetzen hingen bereits von meinen Kleidern, meine Füße begannen schon zu schmerzen. Ich wußte, ich konnte nicht lange durchhalten. Mir blieb nichts anderes übrig, als zu versuchen, einen Moment aus dem Lichtkreis zu entrinnen, unter einen Baum zu kriechen und mich dort zu verstecken. Doch warum schoß niemand? Ich torkelte nach rechts, aus dem Lichtkegel heraus, und ließ mich auf die Knie fallen. Vor mir erhob sich ein kräftiger Baum. Seine breiten Äste streiften den Boden, und ich kroch unter ihnen hindurch, lehnte mich an den Stamm und bemühte mich, ganz leise zu atmen.
    Dann hörte ich, daß einer von den beiden mich verfolgte. Hin und wieder blieb er stehen und lauschte. Wenn er auch nur die geringste Ahnung hatte, wie man ein Wild verfolgt, würde er mich bald entdecken. Er brauchte nur auf die gebrochenen Äste und die zertretene Erde zu achten. Leise schob ich mich auf die andere Seite des Stammes, die ihm abgewandt war, und beobachtete den Lichtschein des Wagens, der die nassen Zweige über mir anleuchtete. Die Schritte, das Geräusch brechender Äste kamen näher. Jetzt konnte ich den schweren Atem hören. Sluggsys Stimme sagte leise, ganz in der Nähe: »Komm heraus, Baby! Sonst setzt's was. Das Versteckspiel ist aus!«
    Der dünne Lichtstrahl einer Taschenlampe streifte suchend von einem Baum zum anderen. Er wußte, daß ich nur wenige Meter von ihm entfernt war. Dann richtete sich der Lichtstrahl auf den Boden unter meinem Baum. Ich erkannte Sluggsys Stimme: »Hat Papa dich endlich gefunden! Komm, Baby!« Hatte er mich wirklich entdeckt? Ich hielt den Atem an. Das Krachen eines Schusses ertönte. Die Kugel bohrte sich hinter meinem Kopf in den Stamm. »Das ist nur eine Mahnung, Baby. Beim nächstenmal sind deine niedlichen kleinen Füße dran.«
    Die hatte er also gesehen. »Schon gut«, sagte ich erschöpft. »Ich komme. Schießen Sie nicht.« Auf allen vieren kroch ich unter dem Baum hervor.
    Der Mann wartete auf mich. Auf seinem kahlen Kopf spiegelte sich das Licht. Sein Revolver war auf meinen Magen gerichtet. »Okay. Geh vor mir her. Und wenn du stehenbleibst, dann gibt's einen Tritt.«
    Ich stolperte zwischen den Bäumen hindurch auf die unbarmherzig strahlenden Augen des Wagens zu. Die Hoffnungslosigkeit übermannte mich. Was hatte ich getan, um das zu verdienen? Warum hatte Gott gerade mich zum Opfer dieser beiden Männer auserkoren? Jetzt würde ich ihre Wut erst richtig zu spüren bekommen. Sie würden mich martern und später bestimmt töten. Doch die Polizei würde die Kugeln in meinem Körper finden. Welch gräßliches Verbrechen hatten sie vor, daß sie nicht einmal die Beweise fürchteten, die meine Leiche liefern würde? Gleichgültig, um welches Verbrechen es sich handelte, sie schienen gewiß zu sein, daß danach keine
    Beweise mehr vorhanden sein würden. Sie würden mich einscharren, mich mit einem Stein um den Hals in den See versenken!
    Ich trat unter den Bäumen hervor. Der magere Mann lehnte sich aus dem Wagen. »Okay«, rief er Sluggsy zu. »Bring sie ins Motel. Tu ihr nichts. Das übernehme ich.« Er schaltete den Rückwärtsgang ein.
    Sluggsy trat neben mich. Seine freie Hand betastete mich lüstern. Ich sagte nur: »Nicht!« Ich hatte nicht einmal mehr die Kraft, mich zu wehren.
    »Jetzt sitzt du in der Patsche, mein Schatz«, erklärte er leise. »Horror kennt kein Pardon. Der macht dich fertig. Wenn du jetzt ja sagst und versprichst, brav zu sein, dann kann ich vielleicht ein gutes Wort für dich

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