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Der Spion der mich liebte

Titel: Der Spion der mich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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Grauen davor. Ich war berauscht vom Essen, vom Alleinsein hinter der Theke. Und da wollte ich diesen Augenblick noch länger auskosten und steckte mir eine Zigarette an.
    Etwa eine Minute später erstarb das Stimmengemurmel. Das Scharren eines Stuhls, der zurückgeschoben wurde, übertönte die leise Musik aus dem Radio. Jetzt stieg neue Angst in mir auf. Ich drückte meine Zigarette in der leeren Kaffeetasse aus, stand auf, stapelte mit raschen Bewegungen Teller und Tassen im Spültisch und drehte den Wasserhahn an. Ich blickte nicht auf, doch ich sah Sluggsy durch den Raum kommen. Er lehnte sich an die Theke. Ich hob den Kopf, als sei ich überrascht. Noch immer kaute er auf seinem Zahnstocher, schob ihn zwischen seinen wulstigen Lippen von einer Seite auf die andere. Er legte eine Schachtel Kleenex auf die Theke und zog ein paar Tücher heraus. Nachdem er sich geräuschvoll geschneuzt hatte, ließ er die Papiertücher achtlos zu Boden fallen. »Du hast mir einen Katarrh aufgebrummt, Baby«, stellte er mit liebenswürdiger Stimme fest. »Kommt von der Jagd im
    Wald. Ganz übel wegen meiner Krankheit, dieser Alopecia. Hast du gewußt, daß man da auch die Haare in der Nase verliert? Genau wie die anderen. Und weißt du, was dabei 'rauskommt? Daß einem die Nase ganz ekelhaft tropft, wenn man eine Erkältung kriegt. Du hast mir die Erkältung aufgehängt, Baby. Das bedeutet alle vierundzwanzig Stunden eine Schachtel Kleenex. Vielleicht noch mehr. Hast du darüber schon mal nachgedacht? Hast du schon mal über Leute nachgedacht, die keine Haare in der Nase haben?« Die wimpernlosen Augen funkelten plötzlich vor Zorn. »Ach, ihr Weiber seid alle gleich! Denkt immer nur an euch selbst. Ihr wollt euch nur amüsieren.«
    Ich sagte ruhig, mit leiser Stimme, die die Radiomusik fast verschluckte. »Sie tun mir leid. Aber weshalb tue ich Ihnen nicht leid?« Ich sprach schnell und eindringlich. »Warum sind Sie beide hierhergekommen, um mich zu prügeln und herumzustoßen? Was habe ich Ihnen getan? Warum lassen Sie mich nicht weg? Ich verspreche Ihnen, keinem Menschen etwas zu sagen, wenn Sie mich fortlassen. Ich habe ein bißchen Geld. Einen Teil könnte ich Ihnen geben. Vielleicht zweihundert Dollar. Mehr kann ich mir nicht leisten. Ich will bis nach Florida. Bitte, lassen Sie mich doch weg!« Sluggsy antwortete mir mit brüllendem Gelächter. Er drehte sich um. »Unsere Zuckerpuppe bietet uns zweihundert Dollar, wenn wir sie abhauen lassen!« rief er. Der Magere zuckte die Achseln. Doch er blieb stumm. Sluggsy wandte sich wieder mir zu. Seine Augen blieben hart, ohne Erbarmen. »Mach dir keine Illusionen, Baby. Du spielst mit, und zwar eine Hauptrolle. Solltest dich eigentlich geschmeichelt fühlen, daß sich solche Leute wie Horror und ich für dich interessieren, ganz zu schweigen von Mr. Sanguinetti, dem Oberbonzen.« »Und welche Rolle spiele ich? Wozu brauchen Sie mich?« »Das wirst du noch früh genug erfahren«, versetzte Sluggsy mit einem gleichgültigen Achselzucken. »Inzwischen würde ich dir raten, die Klappe zu halten und nicht so viel Blödsinn zu quatschen. Tu lieber was. He, das ist schöne Schnulzenmusik. Komm, wir wollen mal eine Sohle aufs Parkett legen, daß Horror die Augen übergehen.
    Dann marsch in die Federn mit uns beiden. Komm, Kleine.« Er streckte die Arme aus und schnalzte im Takt der Musik mit den Fingern. »Tut mir leid. Ich bin müde.«
    Sluggsy lehnte sich wieder an die Theke. »Du elendes kleines Miststück«, sagte er wütend. »Mich kannst du nicht auf den Arm nehmen. Dich werde ich lehren, was Müdigkeit ist!« In seiner Hand lag plötzlich ein kleiner schwarzer Lederknüppel. Mit einem Schlag ließ er ihn auf die Theke sausen. Eine tiefe Kerbe zeigte sich in der Platte aus Kunststoff. Gemächlich trottete er um die Theke herum, summte vor sich hin, während seine Augen sich an mir festsaugten. Ich wich in die hinterste Ecke zurück. Es war mein letzter Ausweg. Irgendwie mußte ich ihm seine Gemeinheit heimzahlen, ehe ich unterlag. Meine Hand tastete nach der offenen Besteckschublade. Unvermittelt griff ich hinein und schleuderte blitzschnell Messer und Gabeln in die Luft. Er duckte sich nicht schnell genug. Klirrend traf das Silber seinen Kopf. Ich warf immer weiter, doch er hatte den Kopf eingezogen, und der Regen von Messern und Gabeln verletzte ihn nicht. Er hob eine Hand zum Gesicht und wich fluchend zurück. Jetzt eilte der Magere mit großen Schritten durch den Raum. Ich packte

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