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Der Spion der Zeit

Der Spion der Zeit

Titel: Der Spion der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcelo Figueras
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hörte das Geräusch von Hufen. Ein Pferd in der Kneipe – der Gedanke erschien ihm absurd.
    Beim Aufrichten sah er, dass der Seemann das Lokal verließ. Er war noch beleibter, als er vermutet hatte. Und er hatte einen seltsamen Gang, so als habe man ihm Gewichte an die Füße gebunden. Das Bild trog nicht; die Schuhe des Seemanns hatten massive, ungleiche Plateausohlen, rechts höher als links.
    Er hatte zwei monströse Schritte gemacht und drehte sich nochmals zu dem Notar um. Ciro hätte sich den Kerl gern näher angeschaut und verfluchte das Schummerlicht, das er ansonsten an seiner Kneipe so schätzte.
    »Übrigens, Doktor S, raten Sie mal, wer dieselbe Schwäche für diesen Benediktinerlikör hat.«
    Dann zog er von dannen.
    Zwei Minuten später verließ der Schreiber die Bar und ging in entgegengesetzter Richtung davon.
    XX
    Carranza entdeckte die hünenhafte Gestalt Van Upps, der in einer Ecke auf ihn wartete. Er bedeutete ihm mit der Hand, er solle schon mal ins Büro gehen. Der Gerichtsmediziner wartete noch ein wenig, bevor er sich zu ihm gesellte, er wollte seine Gedanken ordnen.
    »Und?«, fragte Van Upp, kaum dass Carranza einen Fuß über die Schwelle gesetzt hatte.
    »Ich bin die Untersuchungen nochmals durchgegangen. Alle. In ein paar Fällen habe ich die Tests wiederholt«, sagte Carranza schwer atmend.
    Van Upp öffnete den Mund, um mit seiner Befragung fortzufahren, doch der schleppende Gang des Gerichtsmediziners brachte ihn aus dem Konzept. Carranza ließ sich schnaubend auf seinen Schreibtischstuhl fallen. Da begriff Van Upp, dass die letzten zehn Jahre nicht spurlos an seinem Freund vorübergegangen waren. Vor ihm saß ein alter Mann, ein jämmerlicher Abklatsch dessen, der ihm von den Fotos auf dem Schreibtisch entgegensah: Carranza mit Clara im Arm, Carranza bei der Verleihung einer internationalen Auszeichnung, Carranza mit dem kleinen Lucas auf den Schultern …
    »Es wird Regen geben. Da können Sie sicher sein. Meine Gelenke haben sich zu hochpräzisen Barometern entwickelt«, sagte der Gerichtsmediziner.
    »Also …«, sagte Van Upp.
    »Die Ergebnisse der Erstuntersuchung waren korrekt. Das kann ich zu einhundert Prozent bestätigen«, sagte Carranza und zog eine Schreibtischschublade auf. Er holte eine Flasche Bourbon und zwei Gläser heraus und füllte sie großzügig.
    »Das heißt also, wir wissen nichts«, sagte Van Upp und nahm seins entgegen.
    »Wir wissen das, was wir wissen müssen. Ferrer ist verblutet. Bedauerlicherweise macht es uns der Zustand, in dem die Hunde die Leiche hinterlassen haben, unmöglich, genau zu bestimmen, wie er das Blut verloren hat. Und was Abellán angeht: Der ist eindeutig ertrunken. Sein Körper weist keinerlei Anzeichen von Gewalteinwirkung auf und keinen Einfluss ungewöhnlicher Substanzen, mal abgesehen vom Wasser in seiner Lunge«, sagte Carranza.
    Sie tranken schweigend. Zu dieser Zeit kam niemand mehr ins Labor, außer dem Reinigungspersonal, das mit gelben Handschuhen die schwarzen Tüten mit den Eingeweiden hinaustrug. Seit man einen von ihnen dabei erwischt hatte, wie er Organe von bekannten Persönlichkeiten verschachert hatte (im Verfahren wurde er freigesprochen, weil keiner der mutmaßlichen Käufer aussagen wollte), wurden die Überreste in einem Ofen im Keller verbrannt.
    »Wir haben es also augenscheinlich mit zwei Selbstmorden zu tun«, sagte Van Upp und streckte sich auf dem alten Ledersofa aus. »Keine Spuren äußerer Gewalteinwirkung, keine weiteren Indizien … Ich weiß nicht, wie lange ich die Ermittlungen da noch aufrechterhalten kann. All meine Verdachtsmomente gründen sich auf nebensächliche Details«, sagte er und zog die Krempe seines Hutes bis über die Augen herunter.
    »Die Bibelstelle über die Sintflut? Ein reizendes Detail«, sagte Carranza.
    »Ich denke, ich gehe dann mal meinen Papierkram erledigen. Es sei denn, Sie bräuchten jemanden, der Ihnen assistiert.«
    »Wir könnten reden. Da gibt es so vieles …«
    »Man hat einen Wachhund auf mich angesetzt. Einen gewissen Benet. Der hat so viel mit einem Ermittler gemein wie Hyperion mit einem Satyr«, sagte Van Upp und zündete sich eine Zigarette an.
    Carranza kratzte sich nachdenklich im Nacken. Er schien darüber nachzugrübeln, wie schnell sich sein Glas geleert hatte. Schließlich redete er: »Da ist noch etwas, das nicht ganz ins Bild passt.«
    Der Gerichtsmediziner kramte in der Tasche seiner Schürze und zog ein kleines Fläschchen heraus; er schüttelte

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