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Der Spion der Zeit

Der Spion der Zeit

Titel: Der Spion der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcelo Figueras
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er sah nur noch die Augen mit dem forschenden Blick. Augen, die selbst im Halbdunkel des Raumes noch einen bernsteinfarbenen Schimmer besaßen.
    »Und, sind Sie jetzt frustriert?«, sagte Van Upp in einem Ton, der zur Offenheit einladen sollte.
    »Wovon reden Sie?«, fragte Pantoja.
    »Na, Ihre Aufgabe. Sie bleibt unvollendet.«
    »Sie meinen wegen Moliner?« Pantoja lächelte und lehnte sich voller Genugtuung zurück. »Dass Sie sich da mal nicht täuschen. Wenn ich ihn nicht töte, wird jemand anders es tun.«
    »Ein weiterer Mörder? Meinen Sie Ihre Komplizen?«
    »Ich habe keine Komplizen.«
    »Nicht in Ihrer Partei, wie man sieht.«
    Pantoja lachte auf. »Das sind Geier. Sie tun sich an der Katastrophe gütlich, sind aber vorsichtig genug, dabei zu betonen, dass sie mit dem Unfall nichts zu tun haben.«
    »Dann sind Sie also ein Einzeltäter?«
    »So ist es.«
    »Wer wird dann Moliner töten?«
    »Irgendjemand. Ganz egal wer. Es reicht, dass die Botschaft verstanden wurde.«
    »Welche Botschaft?«
    »Das wissen Sie genau.«
    »Mit Vermutungen gebe ich mich nicht ab.«
    »›Die Zeit der Ungerechtigkeit ist vorbei.‹ Diese Botschaft meine ich.«
    »Ich dachte, Sie meinten die, die Sie bei Ferrers Leiche hinterlassen haben.«
    Pantoja runzelte die dichten Brauen und sagte kein Wort.
    Van Upp stand auf und ging ziellos im Raum umher. Sämtliche Blicke (besonders Pantojas) ruhten auf ihm. Aus einigen Metern Entfernung richtete er sich erneut an den Verdächtigen: »Wie lange wollen Sie dieses Spielchen noch fortsetzen?«
    Pantoja antwortete nicht gleich. Er musste seine Worte sorgfältig abwägen. Dieser Mann (der Hüne mit den Wolfsaugen, von dem ihm niemand den Namen gesagt hatte) wartete nur darauf, dass er ihm in die Falle ging.
    »Es ist kein Spiel«, sagte er.
    »Sicher ist es das«, konterte Van Upp sofort. »Auch wenn es um transzendente Fragen geht … die politische Sache, wie Sie sagen würden, ich würde sagen, es geht um Leben und Tod … rächen Sie hier eine Schuld, die Sie gar nicht betrifft. Sie geben sich für einen anderen aus. Und das nenne ich spielen.«
    »Sie sind ja verrückt.«
    Nora lief rot an.
    »Alles, womit man spielt, ist per Definition ein Spielzeug«, sagte Van Upp, während er weiter umherging. »Sie reduzieren Ihre Sache gerade auf einen kindlichen Zeitvertreib.«
    Erregt sprang Pantoja auf, um sich auf Van Upp zu stürzen. Doch Dumont war auf der Hut: Kaum war Pantoja losgestolpert, hatte er ihn schon gepackt und zurück auf den Stuhl gedrückt, wie ein Kind, das sich frühzeitig vom Tisch entfernen wollte.
    »Sagen Sie mir, was das für eine Botschaft war, die Sie bei Ferrer hinterlassen haben«, forderte Van Upp und setzte sich wieder vor den Verdächtigen. »Sagen Sie mir, aus welchem Buch Sie die Seiten genommen haben, um Abelláns Abfluss zu verstopfen. Sagen Sie mir, wo die Waffe ist, mit der Sie Prades den Bauch aufgeschlitzt haben.«
    »Die habe ich ins Meer geworfen«, antwortete Pantoja voller Groll.
    Van Upp schob die Hand in sein Jackett und zog eine nummerierte Tüte heraus, wie sie für die Beweissicherung verwendet werden. Er öffnete sie und förderte ein Messer zutage.
    »Dort haben wir es aber nicht gefunden«, sagte er und betrachtete die rot befleckte Schneide. Das Messer war nur wenige Zentimeter von Pantojas Händen entfernt. Jetzt war Van Upp derjenige, der spielte.
    »Ich will einen Anwalt«, sagte der Verdächtige.
    »Gut«, sagte Van Upp und stand auf. Er schob das Messer zurück in die Tüte und warf sie Dumont zu. »Bringen Sie das wieder in die Küche und waschen Sie es ab, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Es ist nur über der Gasflamme eingedampfter Tomatensaft.«
    Pantoja seufzte, er hatte verloren.
    »Der Mann ist unschuldig«, sagte Van Upp.
    Dumont versuchte sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Seit Ciro Chomón ihm von dem hinkenden Seemann erzählt hatte, war er nicht mehr zur Ruhe gekommen. Er hatte bereits in Träumen von Orden und sogar von einer Beförderung geschwelgt und sich die süße Genugtuung ausgemalt, Van Upp in seinem eigenen Spiel zu besiegen.
    Nora war schon vorausgegangen, doch Van Upp, der sie bis an die Türschwelle begleitet hatte, blieb stehen und kehrte noch einmal zurück in den Raum, als hätte er etwas vergessen. Als sie hineinspähte, sah Nora, wie Van Upp sich zu Pantoja herunterbeugte und – unhörbar für sie – etwas zu ihm sagte. Van Upp richtete sich auf, und der Verdächtige schaute ihn an und

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