Der Spion der Zeit
Taschenlampe aus der Hosentasche holen, da traf ihn ein Lichtstrahl mitten ins Gesicht. Er war nicht allein. Es war noch jemand in dem Bunker, der ihn mit dem Schein seiner Taschenlampe blendete und wehrlos machte.
»Sergeant Benet? Sind Sie das?«, fragte der Henker.
»Nicht direkt«, sagte Van Upp gelassen.
XX
Der Henker wollte wissen, wie er dort hingekommen war.
»Dies ist ein Notausgang«, sagte Van Upp und leuchtete auf den Boden zwischen ihnen. (Er ist offensichtlich allein, speicherte der Henker im Geiste ab. Der Ermittler hatte zu seinen Füßen einen Koffer abgestellt und trug in der freien Hand keine Waffe.) »Die Erfahrung des Krieges hat Ihren Freunden aus dem Klerus gezeigt, dass es nicht schaden kann, ein Schlupfloch vorzusehen oder zumindest ein vorläufiges Versteck. So wird es jedenfalls in den Büchern dargestellt. Jeder Architekturstudent weiß von diesem Bunker.«
»Sie haben Architektur studiert?«
»Zwei Jahre. Es hat mich gelangweilt.«
»In meiner Jugend wurden alle Offiziere über den Bunker aufgeklärt. Im Falle eines politischen Aufstands hatten wir den Befehl, die Mächtigen, ihre Familien und jeden, der in der Lage war, seine Flucht mit Gold zu bezahlen, hierherzubringen. Christus ist wirklich die Rettung!«
»Seit wann haben Sie diese Flucht geplant?«
»Lassen Sie mich überlegen … Seit zwei Monaten vielleicht. Ich wollte mich mit den Räumlichkeiten vertraut machen, sehen, wer wann kommt und geht. Ich bin gläubig, aber nicht so, dass ich täglich die Messe besuchen würde. Das überlasse ich meiner Frau. Alles, was ich mit einem gewöhnlichen Gläubigen gemeinsam habe, ist, dass auch ich die Kirche nutze, um zu fliehen.«
»Warum haben Sie Prades ermordet?«
Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht, aber der Henker zeigte nach wie vor die Zähne.
»Ich gehe davon aus, Sie wissen bereits über Ihren Freund Bescheid? Über den unmöglichen Rächer? Wie war doch gleich sein Name?«
»Carranza.«
»Kurz nach seinem Anruf nahm ich Kontakt mit einem Kameraden in der Regierung auf. Er bestätigte mir, was ich bereits ahnte: Der Sohn Ihres Freundes ist verschwunden. Was ist denn aus dem guten Mann geworden? Sagen Sie nicht, Sie mussten ihn verhaften.«
»Er hat sich umgebracht.«
»Ich hätte zu gern gewusst, welchen Tod er mir zugedacht hatte. Ich weiß, dass er mich mit einem Betäubungsmittel kampfunfähig machen wollte, aber danach …«
Van Upp schob den Koffer mit dem Fuß vor und ließ Moliner nicht aus den Augen, während er sich bückte, um ihn zu öffnen. Als er die Hand hinein schob, hörte man ein metallisches Geräusch.
»Die hat er eigens für Sie anfertigen lassen«, sagte der Ermittler.
Er zeigte ihm etwas, das aussah wie ein Pflock.
Ein dreißig Zentimeter langer, dicker, spitzer Nagel.
In dem Koffer befanden sich noch zwei weitere sowie ein Hammer.
XXI
»Kaum war Carranza aus Ihrem Haus geflohen«, sagte Van Upp, »riefen Sie als Erstes Prades an. Nicht um ihn zu warnen. Sie wollten wissen, ob er noch lebt. Sie hatten die Hoffnung, Carranza hätte ihn bereits erledigt. Doch was für eine Enttäuschung! Prades war gesund und munter. Aus irgendeinem Grund hatte Carranza beschlossen, Prades solle der Letzte auf seiner Liste sein. Sie haben Ihren erbittertsten Feind falsch eingeschätzt. Hätte der Anruf Ihnen bestätigt, dass Prades tot war, hätten Sie Ihre Hunde auf Carranza gehetzt, damit sie ihn zerfleischen.«
Moliner schwieg.
»Erzürnt, dass Prades noch lebte, dachten Sie sich eilig einen Plan aus«, fuhr Van Upp fort. Er hatte sich aufgerichtet und hielt einen der Nägel in der Hand, der Henker starrte ihn unentwegt an. »Unter irgendeinem Vorwand verabredeten Sie sich mit ihm. Vielleicht benutzten Sie denselben wie Carranza: Sie behaupteten, Sie wüssten etwas über diesen geheimnisvollen Mörder, der Sie beide bedrohte. Ich nehme an, Prades holte Sie mit seinem Coupé zu Hause ab, und Sie lotsten ihn aufs Land. Keine Ahnung, woher Sie von diesem Landhaus wussten und wie Sie ihn dazu gebracht haben, in den Wassertank hinunterzusteigen. Ich stelle mir vor, Sie sind mit ihm hineingeklettert, haben ihn hinuntergestoßen und ihm dann den Bauch aufgeschlitzt. Die Waffe fehlt mir ebenfalls. Sie haben sie nicht zufällig bei sich?«
Moliner verfluchte sich. Er dachte an seinen Bewacher, an den Christus im Glassarg, an den Dolch ohne Fingerspuren: Er hätte die Waffe nicht so schnell aus der Hand geben sollen …
»Und dann kehrten Sie zum
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