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Der Spion und die Lady

Der Spion und die Lady

Titel: Der Spion und die Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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sich dorthin begeben, Lord Wolverhampton?« Ihre Stimme klang kühl, ihr Gesicht war vom Rand der Schute beschattet.
    »Selbstverständlich. Ich halte Market Harborough für den idealen Ort, unsere Ausreißer wieder einzufangen.« Doch trotz seiner optimistischen Worte war sich Giles keineswegs sicher, ob sich Robin so leicht einfangen ließ. Geschicktes Ausweichen war für einen Spion unerläßlich, und sein Bruder hätte nicht all die Jahre auf dem Kontinent überlebt, wenn er sich in Täuschungsmanövern nicht perfekt auskennen würde.
    Eine entscheidende Kleinigkeit hatte der Marquis bewußt für sich behalten. Wenn Robin seine eingeschlagene Route beibehielt, würde sie ihn in die Nähe seines Besitzes Ruxton bringen. Und es war durchaus vorstellbar, daß er und die Behütete Unschuld dort für eine Zeitlang unterschlüpften –
    besonders, wenn sie davon ausgingen, verfolgt zu werden.
    Falls er das Pärchen nicht vorher fand, würde Giles die beiden in Ruxton suchen. Im Hinblick auf Lady ROSS’ argwöhnische und mißtrauische Natur wäre es für alle Betroffenen sehr viel besser, wenn er die Flüchtigen dingfest machte.

Kapitel 12
    MAXIE BISS VON ihrem Schinkenbrot ab und lehnte sich zufrieden an die sonnenwarme Steinmauer. »Das Reisen mit Treibern hat nur zwei Nachteile.«
    Robin spülte seinen Bissen Brot mit einem Schluck Ale hinunter. »Und die wären?«
    »Das Getöse von Hunderten von Rindern sowie diversen Hunden und Menschen. Und der Geruch.
    Vor allem der Geruch.«
    Er schmunzelte. »Irgendwann merkt man es gar nicht mehr.«
    »Dann lebe ich mit dieser Hoffnung.« Maxie schluckte den letzten Bissen Schinkenbrot hinunter. »Aber die Treiber gefallen mir. Sie erinnern mich an die Farmer in New England. Sie haben die Solidität und den Wirklichkeitssinn erdverbundener Menschen.«
    »Weil ihnen das Vermögen ihrer Nachbarn anvertraut wird, müssen Viehtreiber zuverlässige Menschen sein. Ich glaube, sie müssen mindestens dreißig Jahre alt, verheiratet und Hausbesitzer sein, um eine Lizenz zu erhalten.«
    Maxie rümpfte die Nase. »In England werden zu viele Dinge durch Lizenzen und Bestimmungen geregelt.«
    »Der Preis der Zivilisation. Wenn einem Engländer diese Last unerträglich wird, kann er immer noch seine Freiheit und sein Glück in Amerika suchen.«
    »In Amerika genießt man größere Freiheiten«, erwiderte sie langsam, »aber nach Glück kann man überall streben. Bedauerlicherweise kann kein Gesetz garantieren, daß man es auch findet.«
    Robin nickte zustimmend und wandte sich wieder seinem Brot zu. Die Herde begab sich langsam zur Ruhe, und die meisten der Treiber nahmen in der winzigen Gaststube ihr Abendessen ein. Maxie und Robin hatten es vorgezogen, draußen zu bleiben – zum Teil, weil das Wetter so schön war, vor allem jedoch, weil der Erfolg ihrer Maskerade davon abhing, daß sie nicht allzu nahe in Augenschein genommen wurde.
    Eine Bewegung erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie blickte sich um und sah einen Ahornsamen langsam zu Boden segeln. Die Sonne verfing sich in dem flügelförmigen Gebilde und verwandelte es in durchscheinendes Gold. Von einem leichten Wind getragen schwebte es lange Zeit scheinbar schwerelos dahin, bis es schließlich etwa dreißig Zentimeter von ihrer Hand entfernt auf der Erde landete. Maxie ließ ihren angehaltenen Atem entweichen und lächelte versonnen.
    Sie wußte nicht, daß sie beobachtet worden war, bis Robin feststellte: »Eben wirktest du wie jemand, der ein religiöses Erlebnis hat.«
    Sie wollte eine leichtfertige Antwort geben, besann sich dann aber anders. Vielleicht konnte Robin ihre Erklärung nicht verstehen, aber er würde sie akzeptieren. »In gewisser Weise war es auch so. Im Volk meiner Mutter wird die Natur als umfassende Einheit betrachtet. Ein Ahornsamen ist ebenso ein Aspekt des großen Geistes wie eine Wolke, der Wind oder eine menschliche Seele.
    Wenn man einem Eichhörnchen Nüsse fortnimmt, die es für den Winter gesammelt hat, muß man ihm genügend übrig lassen, daß es überleben kann, denn die Tiere haben das gleiche Anrecht auf die Geschenke der Erde wie die Menschen.«
    Höchst interessiert zogen sich seine Brauen zusammen. »Das ist ein völlig anderes Verständnis als das europäische, das in der Natur einen Feind sieht, der besiegt werden muß, oder einen Gabentisch, der zur alleinigen Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse dient.«
    »Offengestanden halte ich die indianische Einstellung für besser und

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