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Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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einem Journalisten zur Seite genommen wurde. „Herr Kollege!“, sagte sie mit dienstlicher Betonung. Der Ton war so ungewöhnlich, dass Stollmann seinen Spezi sofort stehen ließ.
    „Die wollen doch auch leben“, murmelte Stollmann auf dem Weg zum Spurenzelt. So war er, erst schimpfte er, dann kam seine kameradschaftliche Seite zum Vorschein.
    „Du weißt, was ich an dir am meisten schätze: dein großes Herz“, stellte Verena fest.
    Vor dem Spurenzelt war Inga Schulz, Leiterin des Dezernats für Kriminaltechnik und Forensik im LKA, in ihrem Element. Die beiden Frauen kannten sich lange und konnten gut miteinander. Das war beruflich von Vorteil und schuf eine angenehme Atmosphäre, nicht nur für den aktuellen Mordfall.
    „Hi Verena, hi Stolli. Ihr müsst euch gedulden. Der Gerichtsmediziner ist noch bei der Leiche.“
    Es ging also schon gut los. Eine prominente Leiche und der Beginn der Arbeit war Warten.
    „Immer noch? Ihr seid doch schon seit fast zwei Stunden dran. So lange dauert die Erstuntersuchung doch eigentlich nie.“
    „Du sagst es, Verena. Eigentlich. Aber Zorn hat sich eingeschaltet, unser allseits geschätzter Leiter des Institutes für Rechtsmedizin. Dadurch die Verzögerung. Er kreuzte vor einer Viertelstunde auf, wartete darauf, dass ihn die Reporter erkannten, war eingeschnappt, als das nicht geschah und bestand darauf, die Leiche noch einmal selbst zu untersuchen.“
    Was Inga Schulz erkennbar für überflüssig hielt.
    „Typisch“, knurrte Stollmann, „die Herren Professoren sind eitel wie die Pudel.“
    Verena erkundigte sich nach Muench, ihrem umgänglichen, aber stets gehetzten Kollegen von der Rechtsmedizin.
    „Chefin, kommst du mal? Ich habe eine interessante Spur entdeckt“, rief ein Beamter aus Ingas Team.
    Inga verschwand Richtung Heiligenbad, einer alten Schwefelquelle mit kräftigem Geruch. Gleich darauf kam Muench aus dem Zelt, in seiner Begleitung ein weißhaariger Herr, dem man ansah, wie viel Wert er darauf legte, distinguiert zu wirken. Muench freute sich, Verena zu sehen. Sein Begleiter sah durch die Ermittlerin hindurch.
    „Können Sie schon etwas zur Todesursache sagen?“, fragte Verena.
    Muench wollte antworten, aber sein Chef hielt ihn mit einer Handbewegung zurück.
    „Können wir, junge Frau“, sagte er. „Was dachten Sie, weshalb wir hier sind?“
    Dann setzte er sich in Szene: fachlich untadelig, aber mit einem Tonfall, der den Pedanten offenbarte. Stein war vermutlich mit einem Golfschläger getötet worden, die Wunde sprach für einen Eisenschläger. Ein Hieb auf den Hinterkopf, einer gegen die Stirn. Der Pedant verlor sich in Beschreibungen von Golfschwung und Treffmoment und schnappte nach Luft, als Verena ihn unterbrach:
    „Ich spiele selber Golf.“
    Sachlicher und knapper, aber immer noch neunmalklug fuhr er fort:
    „Die Art der Verletzung an der Stirn spricht dafür, dass der Täter Golfspieler ist.“
    „Mann oder Frau?“
    „Was? Wie gesagt: ein Golfspieler. Der Schlag wurde perfekt gesetzt, wie viel Wut hinter der Wucht des Schlages steckt, will ich mir gar nicht vorstellen. Was haben Sie für ein Handicap, Frau Kommissarin?“
    „Achtundzwanzig. Und Kriminalrätin.“
    Es war nicht zu erkennen, welcher Teil der Antwort ihn mehr beeindruckte.
    „Tatsächlich. Nicht übel, aber verbesserungswürdig. Meines liegt bei siebzehn.“
    Stollmann bemühte sich nicht, sein Stöhnen zu unterdrücken. Er litt in solchen Momenten auch körperlich.
    Verena hob das Gespräch endgültig auf die sachliche Ebene: „Können Sie etwas zur Tatzeit sagen, Herr Professor?“
    „Zwischen 22 und 23 Uhr gestern Abend. Vorbehaltlich Obduktion und Mageninhaltsanalyse.“
    „War er sofort tot?“
    Zorn warf dem Fragensteller Stollmann einen vernichtenden Blick zu.
    „Warten Sie meinen Bericht ab, guter Mann. Ich muss die Wunden genauer untersuchen. Selbstverständlich werden wir die Sache mit Priorität behandeln. Wenn ein hochrangiger Politiker so grässlich aus dem Leben scheidet, erwartet die Öffentlichkeit Aufklärung und Transparenz. Falls das LKA meine Unterstützung benötigt, ich denke da an Interviews, können Sie auf mich zählen. Zu jeder Tages- und Nachtzeit.“
    Er lauschte seinen letzten Worten nach. Waren sie selbst ihm zu anbiedernd vorgekommen?
    Zorn kramte in seiner Hosentasche, an die er aber erst herankam, nachdem er seinen Kittel hochgehoben hatte. Der Kittel verblieb in dieser Position, sodass der Profi wirkte wie die Putzfrau bei der

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