Der Spitzenkandidat - Roman
Jahr.“
Sie gingen auf das Gebäude zu. Verena spürte, wie es in dem Mann neben ihr arbeitete. Er hatte nur noch zwanzig Schritte Zeit, noch zehn, noch …
„Verena, wegen neulich Abend. Ich habe gründlich darüber nachgedacht. Wir sollten das vergessen. Eine Beziehung zwischen dem Behördenleiter und einer Dezernentin, das geht nicht. Damit werden wir beide nicht glücklich.“
Er sah schlecht aus, vielleicht hatte er die Nacht benutzt, um darüber nachzudenken, wie er sich aus der Affäre herauswinden könnte. Eine besonders elegante Lösung war ihm nicht eingefallen. Sie studierte ihn in aller Ruhe. Sie hatte gewusst, dass es so laufen würde. Erst Franz, der nicht treu sein konnte, und jetzt ein Karrierist, der nicht mutig sein wollte. Warum hatte sie immer nur Pech mit Männern? Was hatte sie getan, dass sie ständig auf die Schnauze fiel, wenn es um Männer ging? Es reichte doch völlig aus, wenn die nicht eingelösten Kirchenbesuche mit einem zweiten politischen Mordfall bestraft wurden. Weshalb jetzt auch noch die Enttäuschung mit Jürgen Ritter?
„Sie müssen das verstehen, Verena. Wenn rauskommt, dass wir ein Verhältnis haben, schadet es Ihnen noch mehr als mir.“
Ihr Verstand sagte, dass er recht hatte. Aber sie redeten nicht über die Details einer Ermittlung, hier sprachen andere Stimmen mit als der Verstand. Und was sollte dieser väterlich-fürsorgliche Ton? Sie war mit ihrem Posten nicht verheiratet, sie konnte sich woanders einen Job suchen. Polizeidirektion, Polizeiakademie, wenn es sein musste sogar eine Polizeiinspektion.
„Warum siezt du mich eigentlich, Jürgen? Niemand kann uns hören.“
In seine staatsmännische Miene war eine Prise Besorgnis eingezogen. Fürchtete er Probleme? Bestimmt hasste er emotionale Frauen. Alle Männer taten das, weil sie mit Emotionalität nichts anfangen konnten. Man bekam sie nicht in den Griff, es wurden einem unangenehme Fragen gestellt, auf die es nur unangenehme Antworten geben konnte.
„Je eher wir zur Normalität zurückkehren, desto besser.“
Sie starrte ihn an. Was für ein Satz! Jedes Wort ein Müllhaufen.
Der Pförtner stürzte auf sie zu: „Gut, dass Sie endlich da sind, Herr Direktor. Der Präsident des Verfassungsschutzes will Sie sprechen, Sie sollen gleich zurückrufen. Sie können das von hier unten machen.“
Ritter lehnte dankend ab, er wollte erst in sein Büro. Beide zögerten, bevor sie in den Fahrstuhl stiegen. Fahrstühle waren so übersichtlich, man konnte sich schlecht in ihnen verstecken. Verena dachte: Fahrstühle müssten zwei Abteile haben – für Gefühle und ohne Gefühle. Stattdessen könnte man auch sagen: Frauen und Männer. Mit grimmiger Freude wartete sie darauf, wie Jürgen herumeiern würde. Doch der rettete sich auf das neutrale Feld:
„Der Innenminister erwartet auf der PK äußerste Zurückhaltung. Keine Spekulationen über mögliche Täter und Motive. Am besten gar nichts sagen, das aber mit vielen Worten. Der Minister wird zeitgleich eine Erklärung veröffentlichen, in der er sein Entsetzen zum Ausdruck bringt. Danach wird das LKA offiziell die Ermittlungen übernehmen. Er möchte, dass Sie das machen.“
Hochinteressant, dachte Verena. Sprach er vom selben Mann, der Ende letzten Jahres ihre Ablösung als Leiterin der Soko, die die Staatskanzleimorde aufklären sollte, betrieben hatte? Typisch Politiker.
„Was ist mit dem Verfassungsschutz?“, fragte sie.
„Warten wir ab, was der Präsident mir zu sagen hat. Ich befürchte aber, dass bei denen nichts zu holen ist. Politische Extremisten halte ich für unwahrscheinlich. Stein hat denen nichts getan, es war nicht sein Bereich, sein Interesse galt der Bildung und Innovationen, nicht dem Terrorismus.“
Einen Moment erwog Verena, ihn auf Zorn anzusprechen. Sie ließ es sein. Sollte der doch machen, was er wollte. Sich in die Nesseln setzen, was ging sie das an?
„Nimmst du … nehmen Sie an der PK nicht teil?“
„Nein, das machen Sie und Hirschmann. Sie kriegen das schon hin.“
„Die Medien werden heiß laufen. Und ich meine nicht nur die aus Hannover. Ab heute sind wir die deutsche Nachrichtenmetropole. Trauen Sie das einer Frau zu? Mit ihren … wie sagt man noch gleich … ihren unkontrollierbaren Gefühlen?“
„Verena, bitte.“ Er hatte ja recht, aber das war sie sich schuldig gewesen.
13
Die Landeszentrale der Bürgerpartei war in einer Villa in der Südstadt untergebracht. Die Außenfassade des Gebäudes aus dem ersten
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