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Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Verdächtige. Da konnte sie keinen Satz der Güteklasse „Sie sind noch jung“ ablassen.
    „Heißt das, Sie haben ihn seit fünf Monaten nicht gesehen?“
    „So ist es. Uwe Stein war ein konsequenter Mann. Was er machte, machte er gründlich.“
    „Spielen Sie Golf, Frau Schreiber?“
    Zum ersten Mal blickte sie Verena an.
    „Sie fragen das, weil er mit einem Golfschläger ermordet wurde, nicht wahr? Ich bin eine Verdächtige. Weil ich ihn geliebt habe. Sie glauben, dass ich mich gerächt habe?“
    „Beantworten Sie meine Frage.“
    „Ich habe vor einigen Jahren Golf gespielt. Mein Ex-Mann und ich haben es zusammen gelernt. Ein Trainer für uns beide. Wir haben die Platzreife gemacht, es hat Spaß gemacht. Golf war schön und etwas zusammen zu erarbeiten, war schön. Dann kam Uwe ins Spiel, damit war das Thema Golf erledigt. Uwe hatte daran kein Interesse, wohl auch keine Zeit.“
    Sie hatte im Burgdorfer Golfklub gespielt, in Ehlershausen, einem kleinen, von Wäldern umgebenen Städtchen zwischen Hannover und Celle.
    „Was haben Sie vorgestern Abend gemacht?“
    Sonja Schreiber strich über ihren Rock, als würde ihr die Geste beim Nachdenken helfen.
    „Ich kann mich im Moment nicht erinnern. Vermutlich war ich hier, wie meistens. Es kann auch sein, dass ich auf dem Maschseefest war. Das ist ja gleich um die Ecke.“
    „Waren Sie dort oder nicht? Sie werden es wissen.“
    „Ja, ich war dort. Und bevor Sie fragen: Ich war allein.“
    „Gibt es jemanden, der sich an Sie erinnert? Haben Sie etwas gegessen. Oder getrunken?“
    „Eher getrunken“, murmelte sie und kicherte in sich hinein. Kein Zweifel, die Frau war ein Wrack. Sie erwähnte das Weinhaus Wolf, angeblich gab es auf dem Fest einen Weinstand. Verena fragte nach der Zeit, es war ein mühsames Geschäft.
    Plötzlich fuhr die verlassene Geliebte auf. Nun wollte sie ferngesehen haben, die Serie im Fernsehen Niedersachsen, mit den Nonnen und dem Kloster Kaltental. Sie war also zu Hause gewesen, ihre Erleichterung schien echt. Was für ein jämmerliches Schicksal: Sie war glücklich, weil es ihr gelang, sich an einen Abend zu erinnern, der keine 48 Stunden zurücklag.
    Sonja ging zum Fenster, öffnete es aber nicht. Ihre Strumpfhose hatte Laufmaschen, der Rock wies einen dunklen Fleck auf. Blut?
    „Danach habe ich noch ein Glas Wein getrunken und bin ins Bett gegangen.“ Ein Glas ist gut, dachte Verena und „also kein Alibi“.
    Verena fragte nach Steins Privatleben. Was hatte die Geliebte davon mitbekommen? Die Antwort überraschte sie nicht. Auch Sonja gegenüber hatte sich Stein sehr zugeknöpft gegeben. Ankommende Anrufe hatte er abgewürgt oder war nach nebenan gegangen. „Ehrlich gesagt, haben mich seine Projekte nicht interessiert. Denn um Privates ging es bei diesen Anrufen bestimmt nicht. Sein Ton war immer sehr geschäftsmäßig.“
    Zu Verenas Überraschung begann sie zu schwärmen. Der Erfolgsmensch Uwe, energisch und zielstrebig. „Für mich war es Liebe auf den ersten Blick. Bis zu dem Tag, als ich Uwe traf, habe ich mich mit meinem Mann gut verstanden. Egon und ich kannten uns von der Schule. Wir hatten immer das Gefühl, dass wir zusammengehören. Von meiner Seite war es nicht die große Liebe, aber er hat mich geliebt, er hat immer zu mir gehalten. Unsere Ehe war nicht aufregend, aber ich wusste, wohin ich gehörte. Und dann war alles vorbei, alles weg, Mann, Kind. Vor allem mein Kind. Und dann auch noch Uwe!“
    Sie begann zu zittern. Ihr Blick war fahrig, in ihren Augen standen Tränen. Kaum zu glauben, aber sie liebt ihn noch immer, dachte Verena. Sie war erleichtert, die trostlose Wohnung hinter sich lassen zu können. Uwe Stein hatte Opfer produziert. Das, was ihm im Beruf geholfen hatte, hatte ihm sein Privatleben erleichtert. Er hatte kein Problem damit gehabt, emotionale Altlasten abzustoßen. Die Brutalität des Machtmenschen.
    Bei Franz war es nicht die Karriere gewesen, sondern eine jüngere und attraktivere Frau. Letztlich kam es aufs Gleiche raus. Aber Verena hatte einen Beruf, der sie auffing. Sie saß nicht zu Hause herum und trank zu viel wie Sonja Schreiber. Sie hatte sich ihr Selbstbewusstsein erhalten. Wenigstens das. Sie versuchte, den Geruch der schäbigen Wohnung und die trostlosen Augen der Bewohnerin aus ihren Gedanken zu verdrängen.

27
    Die zweite Sitzung der Soko Stein dauerte nicht lange. Mehrere Kollegen hatten sich krank gemeldet. Das lästige Magen-Darm-Virus lichtete die Reihen in den Büros der

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