Der Spitzenkandidat - Roman
Landeshauptstadt. Stollmann, der Verena zu Beginn an sich gedrückt hatte, um ihr Glück und Segen zu wünschen, berichtete über sein Gespräch mit Bernd Wagner. Der Wahlkampfmanager hatte bestätigt, dass Stein ihn an seinem Todestag kurz vor 19 Uhr angerufen hatte, angeblich war es um die Termine des nächsten Tages gegangen. Stein habe sich wie immer verhalten, er habe nicht aufgeregt gewirkt und nicht verängstigt. Ein wenig angespannt vielleicht, aber das schon den ganzen Tag. Bei den vielen Terminen und dem Wahlkampfstress kein Wunder.
Anschaulich schilderte Stollmann die Verhältnisse in Wagners Büro, die chaotische Ordnung, haufenweise Broschüren und Plakate, pausenlos Anrufe und mittendrin Wagner, der versuchte, Herr des Geschehens zu bleiben.
Mehr ließ sich Stollmann nicht entlocken, dabei musste er mehr erledigt haben als das Treffen mit Wagner. Verena regte sich darüber nicht mehr auf. Stollmann ging und kam, wie er wollte. Sein Ermittlungsstil war konfus, ohne klare Struktur. Und doch hatte er immer wieder Erfolg, wo andere sich verfransten und nicht weiterkamen.
Zwei andere Kollegen hatten Steins frühere Sekretärin in ihrer Wohnung aufgesucht. Sie war immer noch krank, geschwächt und verheult. Steins Tod hatte sie schwer mitgenommen. Für einen großartigen Mann wie Uwe Stein arbeiten zu dürfen, sei wahnsinnig spannend gewesen, habe sie zu Protokoll gegeben. Er habe viel verlangt von seinen Leuten, auch von ihr, sei aber immer fair und korrekt gewesen, nie ausfallend, jedenfalls ihr gegenüber nicht. Ihre Trauer war nicht gespielt, die Beamten hatten keine Zweifel.
Nichts Neues von den Kollegen aus Kleefeld. Stein war von niemandem gegen 22 Uhr gesehen worden. Die Polizei hatte sich alle jungen Leute und insbesondere die polizeibekannten Intensivtäter vorgenommen, die in der Vergangenheit auffällig geworden waren. Jeder besaß ein Alibi, keiner war auch nur in der Nähe des Tatortes gewesen. Keiner kannte Uwe Stein. Mit Politik hatten sie nichts im Sinn. Die meisten durften ohnehin nicht wählen, weil sie entweder zu jung waren oder nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besaßen.
Die einzige Überraschung an diesem Nachmittag lieferte Verena Hauser. Der Arsen-Befund des Institutes für Rechtsmedizin verschaffte der bis dahin lustlos wirkenden Truppe neuen Elan. Weil die Ex-Geliebte als Gift-täterin vermutlich ausschied, blieben die Ehefrau und Steins Sekretärin übrig. Beide hatten Möglichkeiten gehabt, ihm Arsen über Getränke und Nahrungsmittel zu verabreichen – nicht nur einmal, sondern über einen langen Zeitraum. Stollmann gab zu bedenken, dass auch Kollegen aus der Parteizentrale infrage kämen, überhaupt jeder, der Zugang zur Kaffeeküche und zur Kaffeemaschine besaß. Der Parteivorsitzende auch. Man war sich jedoch einig: An erster Stelle stand die Ehefrau. Verena würde mit ihr sprechen.
Nachdem die Aufgaben für den kommenden Tag verteilt waren, löste Verena die Besprechung auf. Das vereinbarte Treffen am morgigen Spätnachmittag sorgte bei einigen der älteren Beamten für missmutige Mienen. Sie waren es gewöhnt, um vier Feierabend zu machen, taten sich schwer, eingefahrene Gewohnheiten zu ändern.
Allein in ihrem Büro streckte Verena die Beine weit von sich. Endlich wieder Temperaturen, bei denen man durchatmen konnte. Sie bedauerte es nicht, dass ihr Geburtstag einen unprosaischen Verlauf genommen hatte. Es war ihr recht so. Wichtig war im Moment einzig und allein der Fall. Die Zahl der Anfragen wurde nicht geringer. Öffentlichkeit und Medien fühlten sich durch bisher ausgebliebene heiße Spuren ermuntert, wilde Mutmaßungen anzustellen. Politiker aus der dritten Reihe gaben ihren Senf ab. Namen, die niemand kannte.
Verena schrieb die Namen der Personen auf, die sie vernommen hatte. Hackmann fiel als Täter aus, die Mandanten vermutlich auch. Bitter, der Landesvorsitzende, die Ehefrau und die abgelegte Geliebte besaßen ein Motiv und kein Alibi. Zwei hatten zugegeben, Golf zu spielen. Eine Person hatte versucht, Stein zu vergiften. Unwahrscheinlich, dass diese auch zugeschlagen hatte. Angenommen, die Ehefrau war die Giftmischerin, fiel sie als Mörderin aus.
Es wurde Zeit, Dr. Jahn anzurufen. Der Aufsichtsratsvorsitzende gab sich kühl und herablassend, war hörbar genervt über die Störung am Abend. Wie ein pflichtgemäßes Zugeständnis klang es, als er sein Bedauern über den Tod des Politikers äußerte. Stein habe die richtigen Antworten auf die
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