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Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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drängenden Fragen der Zeit gehabt, behauptete Jahn. Er sei kein Sozialträumer gewesen wie so viele andere Politiker, er habe im Hier und Jetzt gelebt.
    Ja, am Mordabend habe er mit Stein zu Abend gegessen. Der Grund des Treffens? Eine firmeninterne Angelegenheit, nichts, was für die Öffentlichkeit bestimmt sei. Solche Äußerungen vertrug Verena Hauser schlecht. Sie machte dem Geheimniskrämer klar, dass es um einen Mordfall ginge und es am Verlauf dieses Telefongespräches läge, wie diskret oder lautstark die Ermittlungen ablaufen würden.
    Jahn schluckte die Zurechtweisung und rückte mit Interna heraus. Es sei um eine eventuelle Übernahme der Tawes AG durch die Deutsche Antriebstechnik gegangen. Das sei alles sehr heikel, nicht spruchreif und streng vertraulich, wofür er um Verständnis bäte. Zwar habe es in den Medien vereinzelte Andeutungen gegeben, zuletzt im Wirtschaftsblatt, aber das sei reine Spekulation. Nach Steins Tod werde das Projekt verschoben, vielleicht auch gar nicht mehr realisiert. Ohne Steins Rückendeckung werde der Gegenwind zunehmen. Auf Arbeitnehmerseite gebe es massive Vorbehalte. Der Betriebsratsvorsitzende der Tawes AG, ein gnadenloser Populist und Gewerkschaftler, der die Zeichen der Zeit noch immer nicht verstanden habe, der Mann heiße Hübner, organisiere den Widerstand gegen die Deutsche Antriebstechnik. Er sei einer von denen, die sich gegen notwendige Reformen wenden und jede Kostensenkung für eine Ausgeburt des Teufels halten. Ein Sozialist, der die letzten 20 Jahre verschlafen hätte. Die Polizei sei gut beraten, sich näher mit dem Mann zu beschäftigen. Nichts für ungut, niemand wolle jemandem etwas anhängen, aber Hübner profitiere von Steins Tod.
    Wie lange das Essen gedauert habe? Bis halb zehn etwa. Er habe Stein angeboten, ihn nach Hause zu fahren, das habe der dankend abgelehnt. Von einer weiteren Verabredung am späten Abend habe Stein nichts erwähnt. Eine schreckliche Vorstellung, dass Stein noch leben könnte, wenn er auf ihn gehört hätte.
    Nein, er kenne niemanden, außer Hübner, der ein Motiv gehabt haben könnte, Stein zu töten. In der Wirtschaft habe Stein hohes Ansehen genossen. Heutzutage gebe es ja kaum noch Politiker, die etwas von Wirtschaft verstünden. Zu viele Lehrer und Beamte seien da am Werk. Alles Leute, die noch nie in ihrem Leben unternehmerische Verantwortung gehabt hätten.
    Was er nach dem Essen gemacht habe? Er sei nach Hause gefahren. Er vermeide es, in Hotels zu übernachten. Nach Ulm seien es vier Stunden, wenn die Straßen frei seien und man Freude am Fahren habe, auch am schnellen Fahren. Ulm habe er gegen zwei Uhr nachts erreicht. Nein, bestätigen könne das niemand. Seine Frau und er lebten getrennt und seine Haushälterin, die treue Person, habe um sechs Feierabend. Dann wurde er plötzlich laut. „Ich verbitte mir diese unverschämte Frage. Ich bin doch wohl der Letzte, der einen Grund hatte, Stein zu erschlagen. Ausgerechnet ich, der Stein stets auch mit Spenden unterstützt hat. Wir von der Großindustrie wollten Stein lieber noch in Berlin als in Hannover. Aber der Weg von Hannover nach Berlin ist ja nicht weit, das haben die letzten Jahre immer wieder gezeigt.“
    Verena beendete das Gespräch und verfasste eine Gesprächsnotiz, die sie in der von Frau Schramm eingerichteten Word-Datei abspeicherte. Danach versuchte sie, Stollmann zu erreichen. Ihr war jetzt nach Reden – nicht gestelzt und kühl wie eben, sondern warmherzig und vertrauensvoll. Außerdem hatte sie Geburtstag, sie wollte den Abend nicht allein verbringen. Stollmanns Handy war abgedreht, vermutlich schäkerte er gerade mit seiner blutjungen Flamme herum. Sie ärgerte sich, weil sie sich über Stollmanns Liebesglück ärgerte. Sie mochte keine neidischen Menschen und wollte nicht anfangen, sich ebenso zu benehmen.
    Als sie gegen neun nach Hause kam, wartete Dagmar mit einem riesigen Blumenstrauß bewaffnet auf sie. Ihre Freundin machte einen genervten Eindruck. „Mann, ich stehe seit einer halben Stunde vor deiner Tür, hast du vergessen, dass du Geburtstag hast?“ Eine merkwürdige Art der Gratulation, aber dennoch von Herzen. Sie köpften eine Flasche Sekt und ihre Freundin erkundigte sich nach dem Mordfall, ihr Interesse an den Ermittlungen ließ schnell nach. Sie brannte darauf, Verena von ihrem neuesten Vorhaben zu erzählen.
    „Ich werde wieder arbeiten gehen. Immer nur Haus und Kinder, da verblödet man total“, eröffnete sie ihr. „Findest

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