Der Spitzenkandidat - Roman
Einzelkämpferin, erst vor drei Jahren aus dem Iran zugezogen, betrieb ein kleineres Fotoatelier in Langenhagen. Auch für sie fand sich ein Weg, sie geneigt zu machen. „Ihr derzeitiger Aufenthaltsstatus: geduldet. Ihre Aufenthaltsgenehmigung läuft in vier Monaten ab“, berichtete der Innenminister.
„Vier Monate und aus dem Iran? Eine unabhängige Frau, die einige Jahre hier gelebt und ein Geschäft betrieben hat. Das wird den Mullahs nicht gefallen. Wer weiß, was ihr in ihrer Heimat blüht. Die gehen mit Frauen, die nach ihrer Vorstellung nicht gottgefällig leben, nicht zimperlich um. Peitschenhiebe läuft bei denen noch unter harmlos. Ich bin sicher, die Frau wird einiges tun, um in unserem schönen Niedersachsen bleiben zu dürfen, wo wir Steine nur zum Bauen benutzen.“
Krause nickte. „Ich spreche gleich nachher mit dem Leiter der Auslandsbehörde. Aber erst einmal nur ein Jahr, wir müssen die Kontrolle über die Dame behalten.“
Albi lächelte. „Ich sehe, wir verstehen uns.“
Wagner bekam den Auftrag, Ohren und Augen offen zu halten und sofort Alarm zu schlagen, wenn Gefahr vonseiten der Medien drohte.
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Danach verfielen die Männer in Schweigen. Aber Stille war für ihre Fantasie nicht gut. Sie machte es leicht, sich ungünstige Verläufe vorzustellen. Bisher war der Mordfall Stein „nur“ ein spektakuläres Ereignis gewesen. Seitdem Stein als perverser Schläger entlarvt war, hing ein politischer Skandal über den Köpfen der Spitzenpolitiker. Und nichts konnten sie jetzt weniger brauchen. Der Partei drohte eine Katastrophe. Eine Landtagswahl in Kenntnis von Steins zweitem Gesicht, seiner Brutalität gegenüber seiner Frau, konnte nur mit einer krachenden Niederlage der Bürgerpartei enden. Bitter sah die Schlagzeilen vor sich: Erdrutschsieg für die Opposition! Dann hätte die Peters endlich ihren weiblichen Spitzenkandidaten, nach dem sie sich so sehnte. Nur dass die Frau von der Opposition käme und die Gattin des Oppositionsführers war, die, obwohl nicht gewählt, das Sagen haben würde.
„Wir brauchen endlich den Täter“, murmelte der Innenminister in Wagners düstere Gedanken hinein. „Gewalttätige Jugendliche, das würde mir gefallen. Ein Eifersuchtsdrama auch, dann sind wir aus dem Schneider. Die Ehefrau ist im Prinzip immer gut, aber wer seinen Gatten mit Gift angreift, hat keinen Grund, ihm mit dem Golfschläger eines über die Rübe zu hauen. Was ist, wenn im Zuge der Ermittlungen weitere Schweinereien über den Mann mit den zwei Gesichtern ans Tageslicht kommen?“
Der Landesvorsitzende klopfte mit dem Kugelschreiber auf die Tischplatte. Wo man in diesem Haus hingriff, stets hatte man ein Gimmick mit Steins Namen oder Foto in der Hand.
Albi sagte: „Mir war schon lange klar, dass Stein ein Mann mit zwei Gesichtern ist. Nach außen ein smarter Hund, der alle um den Finger wickelt. Aber in Wirklichkeit krankhaft misstrauisch, ein Mann, der sein Umfeld verachtet und drangsaliert. Keiner hat auf mich gehört, du übrigens auch nicht, Fritz.“
Dann wandte er sich Wagner zu. „Und Sie, Wagner, Sie konnten vielleicht nicht anders, sie haben Ihren Job gemacht.“
„Der Ministerpräsident hat mich gebeten, Stein zu unterstützen. Ich konnte mich dem nicht entziehen und er hat seine Sache gut gemacht. Was PR angeht, war er top drauf,“ rechtfertigte sich Wagner.
Krause machte ein betretenes Gesicht. „Wir wissen beide, woran es lag“, nuschelte er. „Du besonders, nach 30 Jahren Politik weiß man das. Es lag am Erfolg. Und an der Aussicht auf noch mehr Erfolg in der Zukunft. Wir wollen doch die Umfragen nicht vergessen. Stein hat uns Werte gebracht, die wir bis dahin noch nicht kannten. Und was die Ermittlungen angeht: An meinen Leuten vom LKA musst du nicht zweifeln. Die ermitteln rund um die Uhr. Es ist ja auch nicht so, dass es keine Anhaltspunkte geben würde. Hübner, der Betriebsratsvorsitzende der Tawes AG, zum Beispiel. Der hat Stein gehasst und kein Alibi. Er ist leider kein Golfspieler. Aber es kann sich ja auch um einen Auftragsmord handeln. Und dann gibt es noch eine abgelegte Geliebte. Voll von der Rolle, Alkoholikerin, Gedächtnis im Eimer, vermutlich nicht mehr zurechnungsfähig. Sie hat wegen Stein ihren Mann und ihr Kind verlassen, weil Stein ihr die Ehe versprochen hat. Frauen können ja so blöd sein.“
„Typisch für den Kerl“, stellte Albi fest. „Genauso habe ich ihn immer eingeschätzt. Verspricht ihr das Blaue vom Himmel und übrig
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