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Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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versteckt hinter hohen Laubbäumen. Das Grün wirkte gepflegt, eine Teichanlage mit Brücken und Bänken verlieh dem Ensemble eine südländisch-entspannte Stimmung. Nonnen in schwarzer Tracht schoben alte Menschen in Rollstühlen, vor dem Eingang dösten Senioren vor sich hin. Verena dachte an ihre Mutter. Ein Besuch war überfällig.
    Das Foyer war schmucklos und leer, die Anmeldung unbesetzt. Nach einigen Minuten erschien eine Nonne mit Akten unterm Arm. Frau Stein wohne in Zimmer 7 im ersten Stock links. Es sei möglich, dass sie sich bei dem schönen Wetter im Garten aufhalte oder vielleicht in der Wohnküche am Ende des Flures. Freitags stünde Kuchenbacken auf dem Programm.
    Zimmer 7 war leer, in der Küche herrschte reger Betrieb. Zwei alte Frauen saßen im Rollstuhl, drei Frauen, keine jünger als achtzig, standen um eine Nonne herum, die den Teig knetete. Eine Frau schnipselte Apfelstücke und brabbelte vor sich hin.
    „Sie trägt meinen Pullover. Immer trägt sie meine Sachen“, zürnte eine der Frauen im Rollstuhl mit erstaunlich fester Stimme und zeigte auf die gegenüber Sitzende, die teilnahmslos vor sich hin starrte. Die Beschwichtigungsversuche der Nonne fruchteten nicht, das Gezeter wurde lauter. Verena stellte sich vor und wurde auf den Balkon geschickt.
    Sie erkannte die Frau mit der Ems-Zeitung auf Anhieb. Uwe Stein hatte zu den Männern gehört, die ihre Mütter heiraten. Die Ähnlichkeit der alten Dame mit Isabel Stein war frappierend. Sonst war niemand auf dem Balkon, es wehte ein kühler Wind. Verena setzte sich auf einen Gartenstuhl, stellte sich vor und sagte, warum sie hier war. Frau Stein musterte sie über ihre Brillengläser hinweg. Ihr Blick war alles andere als wohlwollend.
    „Ich kann zu Uwes Tod nichts sagen. Ich habe mit ihm nichts zu tun. Das habe ich dieser Redakteurin auch schon gesagt.“
    Klare Worte, ohne Zögern, ohne Gefühl und Trauer.
    „Welche Redakteurin? Kennen Sie ihren Namen?“
    „Hat sie gesagt, habe ich vergessen. In meinem Alter funktioniert das Gedächtnis nicht mehr so gut.“
    „Wieso sagen Sie, dass Sie mit ihm nichts zu tun haben? Er war ihr Sohn.“
    „Das ist lange her, ich habe Uwe seit mehr als 20 Jahren nicht mehr gesehen. Kann passieren, dass sich Eltern und Kinder nicht verstehen. Ist auch gut so, er hat meinem Mann und mir nur Unglück gebracht.“
    Sie wandte sich wieder der Zeitung zu.
    „Ihr Sohn wurde ermordet, Frau Stein! Bedrückt Sie das nicht? Wollen Sie nicht wissen, wer das getan hat?“
    „Eigentlich nicht, nein.“
    Die alte Frau streckte ihren Rücken und zog die Schultern hoch, als würde sie sich gegen etwas wappnen. Geistig war sie völlig präsent.
    „Sie hatten also Streit mit Uwe, Ihr Mann und Sie?“
    „Streit ist gut. Wenn Sie das bei der Polizei so nennen. Für mich war das Mord, kaltblütiger Mord. Uwe hat meinen Mann überfahren und danach ist er auf und davon. Nachts am Küstenkanal.“
    „Ich habe von dem Unglück gehört. Der Täter wurde niemals gefunden.“
    Verachtung zog ins Gesicht der alten Frau.
    „Aber nur, weil die Polizei zu dämlich war und der Junge zu schlau für die. Er war schon immer sehr geschickt darin, seine Schweinereien zu vertuschen.“
    „Haben Sie denn Beweise? Die hätten Sie der Polizei geben müssen.“
    „Beweise!“, äffte die alte Frau sie nach. „So etwas spürt man als Mutter, dafür brauche ich doch keine Beweise.“
    Verena brachte sie dazu, über den Tag zu sprechen, an dem ihr Mann ums Leben gekommen war. Zuerst blockte Frau Stein ab. Was passiert war, kam in kleinen Portionen, unterbrochen von Verdammungen ihres Sohnes. Demnach waren Vater und Sohn an dem bewussten Tag aneinandergeraten. Uwe hatte Prügel bezogen, mit einem Gürtel. Wieder einmal! Er wehrte sich nicht, das fand die Mutter empörend, sie unterstellte ihm, dass er offene Konflikte scheute, weil er feige war und tückisch. „Der kannte nur den verdeckten Kampf. Er hat sich nie gewehrt, nicht ein einziges Mal. Er stand da, hielt still und in seinen Augen war etwas, was ich nie bei einem Kind gesehen habe. Ich wusste, er würde sich eines Tages rächen. Mein Mann hat ihn oft geschlagen. Verdient hatte er es natürlich, er hatte so eine Art, einen zu reizen. Und es war die Zeit damals, da durfte man sein Kind noch hauen. Vielleicht, wenn wir ihn häufiger … Mein Mann ist wie fast jeden Abend in seine Kneipe gegangen. Nachts auf dem Nachhauseweg ist es dann passiert. Die Polizei hat Uwe nach dem Unfall

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