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Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Golfvereinen mit den Telefonlisten war jetzt abgeschlossen. Interessant waren lediglich zwei Namen: ein prominenter Wirtschaftsprüfer, der überwiegend in Frankfurt tätig war, und die Abgeordnete Marion Klaßen, Mitglied im Celler Golfklub. Der Wirtschaftsprüfer war zur Tatzeit in Wiesbaden auf einem Steuerberaterkongress. Und was die Klaßen betraf, Stollmann hatte jeden Verdacht gegen sie in den Bereich der Kaffeesatzleserei verwiesen. Wo der Kollege gerade steckte, wusste niemand. Mittags hatte er sein Büro verlassen. Verena war enttäuscht, sie hätte sich mit Stollmann gern über das Gespräch mit Uwe Steins Mutter ausgetauscht.

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Trauerfeier für Uwe Stein in der Marktkirche in Hannover
    Am heutigen Samstag findet um zehn Uhr eine Trauerfeier für den unter grausamen Umständen ums Leben gekommenen bisherigen Spitzenkandidaten der Bürgerpartei, Uwe Stein, statt. Der Landesbischof wird die Predigt halten. Für die Landesregierung wird Innenminister Fritz Krause in Vertretung des erkrankten Ministerpräsidenten zu den Trauergästen sprechen. Es werden bis zu 5000 Menschen erwartet, die von dem beliebten Politiker Abschied nehmen wollen. Die Polizeidirektion Hannover bittet darum, mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt zu fahren, da gegen zwölf Uhr eine Studenten-demonstration geplant ist
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    Das LKA teilte gestern Nachmittag auf einer Pressekonferenz mit, dass die Soko Stein in der nächsten Woche Mantrailer (Hinweis der Redaktion: Spezialhunde, die Spuren erschnüffeln) einsetzen will. Die Tiere können den Geruch eines Menschen noch nach Monaten anhand von Hautschuppen wahrnehmen. Sollte sich eine der derzeit im Fokus der Ermittlungen stehenden Personen am Tatort aufgehalten haben, werde die Polizei das herausfinden, betonte der Direktor des LKA, Jürgen Ritter. Um welche Personen es sich hierbei handelt, ließ er offen. Außerdem seien die Beamten mit der Auswertung von über 600 Hinweisen aus der Bevölkerung befasst
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    Die Bürgerpartei bekräftigte unterdessen ihre Entscheidung, am ursprünglichen Wahltermin festzuhalten. Die Wahlkampfaktivitäten sollen unverzüglich wieder aufgenommen werden, um die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass die Partei auch ohne Uwe Stein die besseren politischen Konzepte für eine lebenswerte Zukunft des Landes biete, erklärte Wahlkampfmanager Bernd Wagner. Er kündigte weiter an, dass der neue Spitzenkandidat und Parteivorsitzende Alfred Bitter in der kommenden Woche sein Kompetenzteam und sein Hundert-Tage-Programm vorstellen werde. Es wird damit gerechnet, dass der Kultusminister, möglicherweise auch die Verkehrsministerin, beide Anfang sechzig, ersetzt werden. Während für das Verkehrsministerium noch keine Namen genannt werden, ist für das Kultusministerium Bernd Schneider im Gespräch. Auch auf der Ebene der Staatssekretärsposten werden Neubesetzungen erwartet. Unter anderem wird spekuliert, dass die junge Celler Landtagsabgeordnete Marion Klaßen, eine enge Vertraute Uwe Steins, Staatssekretärin in der neuen Regierung wird
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    Osnabrücker Allgemeine, 8. September 2011
    Zum Trauergottesdienst kamen weit weniger Menschen als erwartet. Die erste Aufregung über den Mordfall war verklungen, die Gemüter hatten sich beruhigt. Die Menschen gingen wieder ihren Tagesgeschäften nach. Bernd Wagner saß in der zweiten Reihe der zu zwei Dritteln gefüllten Marktkirche, direkt hinter der Witwe und Alfred Bitter. Wagners Frau war bei ihm, obwohl er das nicht vorgeschlagen hatte. Monika hatte darauf bestanden, ihn zu begleiten, obwohl sie den Ermordeten nur ein einziges Mal persönlich erlebt hatte. Man merkte ihr an, dass sie den Auftritt genoss. Im schwarzen Kostüm mit gleichfarbigem Hut machte sie eine ausgezeichnete Figur und wäre auch als Witwe durchgegangen. Die echte Witwe hielt sich aufrecht und beherrscht, vielleicht hatte sie Tabletten eingenommen. Überall entdeckte er Politiker, das Kabinett war fast vollständig vertreten, dazu die führenden Köpfe aller im Landtag vertretenen Parteien. Auch Vertreter des Kulturlebens und der Medien waren anwesend, doch gegen die Vertreter von Wirtschaft und Verbänden blieben sie in der Minderheit. Am Ende war es nur noch ein einziger Fernsehsender, der die Trauerfeier live übertrug.
    Wagner kämpfte gegen die Tränen, auf Beerdigungen wurde er jedes Mal melancholisch. Gedanken über die Vergänglichkeit suchten ihn heim. Er hasste es, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Der Tod war unwiderruflich. Wagner

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