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Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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sein kann, wenn er hinterher noch Karriere macht. Vermutlich hat die harte Erziehung ihm genutzt und seine spätere Karriere gefördert.“
    Nach dem Abitur war Uwe in den Zug gestiegen und nicht mehr zurückgekommen. Verena verkniff sich die Frage, ob Frau Stein an der Beerdigung ihres Sohnes teilnehmen würde.
    Der Abschied war frostig.
    Erst im Auto atmete die Ermittlerin auf. So viel Gleichgültigkeit und Zurückweisung. Kein Wunder, dass Uwe so geworden war, wie er geworden war. Selbst der Schock eines Gewaltverbrechens hatte in der alten Frau nichts bewegt. Verena hatte nicht zum ersten Mal einen Menschen getroffen, der innerlich abgestorben war. Aber hier ging es um Mutter und Kind, die engste Beziehung überhaupt. Verena war in liebevollen Verhältnissen aufgewachsen. Wie wichtig das gewesen war, wurde ihr in solchen Momenten bewusst. Als Kind Tag für Tag zurückgestoßen zu werden, niemanden zu haben – buchstäblich niemanden auf der Welt –, nachts in den kalten, dunklen Keller eingesperrt zu werden, eine größere Einsamkeit war nicht denkbar. Zum ersten Mal, seitdem sie die Ermittlungen aufgenommen hatte, verspürte sie Mitleid mit Uwe Stein. Sein Verhalten, so abstoßend es gewesen war, machte jetzt Sinn. Ein Mensch, der von früh auf Opfer gewesen war, hatte beschlossen, nie mehr Opfer zu sein. Das war für ihn nur machbar, indem er selbst Macht ausübte. Er heiratete eine Frau, die wie seine Mutter aussah, und schlug diese Frau zusammen. Weil er sich nicht an seiner Mutter rächen konnte, schlug er die Person, die ihr am ähnlichsten war. Die Liebe, die seine Mutter ihm niemals gegeben hatte, hatte er auf seine Frau übertragen und sie gleichzeitig bestraft. Welch ein verkorkstes Leben, trotz des grandiosen Aufstieges.
    Sie fuhr ins Zentrum. Die Stadt mit den blumengeschmückten Brücken, den blitzblanken rot gepflasterten Straßen und Bürgersteigen, auf denen Blumenkübel standen, die in allen Farben leuchteten, kam ihr nach der düsteren Stimmung der letzten Stunde fast unwirklich vor. Überall Lokale mit Stühlen davor. Ein Bilderbuchtag in einer deutschen Bilderbuchstadt, doch hinter der Fassade bröckelte es. Das Gespräch ging ihr nicht aus dem Kopf. Unter freiem Himmel aß sie ein Steak mit Bratkartoffeln und Salat. Unvernünftiger konnte man sich nach der Magen-Darm-Attacke nicht verhalten. Aber der Heißhunger war übermächtig. Das Steak war saftig, die Bratkartoffeln waren knusprig. Den Salat ließ sie stehen.
    Die Rückfahrt verlief komplikationslos, Verena lenkte sich mit Spanisch ab. Auf ihrem Schreibtisch türmten sich Akten und Vermerke. Während der Computer hochfuhr, erschien Petra Schramm in ihrem Büro. Modisch hatte sie noch einmal zugelegt: eine knielange schwarze Lederhose, ein enger knallroter Pullover mit dazu passenden Pumps, Kajal um die Augen, ein dunkelroter Lippenstift, und ihre blonden Haare waren frisch geföhnt. Ein neuer Freund, schon wieder? Verena berichtete, wie es in Papenburg gelaufen war. Auch der Assistentin war das Verhalten des Mordopfers damit einleuchtender geworden. „Dem Mörder bringt uns das allerdings nicht näher“, stellte sie fest.
    Sie bewunderte sich im Spiegel an Verenas Schreibtischschrank und bat darum, früher gehen zu dürfen, wobei sie nicht vergaß, ihre 53 Überstunden zu erwähnen. Mit einer Freundin wollte sie die Ernst-August-Galerie unsicher machen. „Akku aufladen“ nannte sie ihr Powershoppen.
    Vorher flossen Informationen. Die Polizeidirektion aus Ulm hatte angerufen. Auf den Golfschlägern des Dr. Jahn waren keine Spuren gefunden worden, die ihn mit dem Mord in Verbindung brachten. Außerdem war der Aushilfstankwart, der am Mordabend bei der Araltankstelle auf dem Südschnellweg Dienst gehabt hatte, endlich aufgetrieben worden. Er hatte bestätigt, dass der Aufsichtsratsvorsitzende am Mordabend um kurz vor zehn sein Auto voll getankt hatte. Jahn schied als Täter aus.
    Kriminaldirektor Hirschmann hatte sich nach dem Stand der Ermittlungen erkundigt und über die Unzufriedenheit des Innenministers berichtet. Das BKA habe seine Unterstützung angeboten, was vom Ministerium abgelehnt worden war. Verena wunderte das nicht; dass BKA-Leute weggebissen wurden, war für jeden Ermittler eine Frage der Ehre.
    In den Büros waren in diesen Minuten 15 Beamte damit beschäftigt, die Hinweise aus der Bevölkerung abzuarbeiten. Bisher gab es keine nennenswerten Hinweise, die Erfolg versprachen.
    Der Abgleich der Mitgliedslisten aus den

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