Der Sprung ins Jenseits
Küche hantierte Frau Merten mit dem Kaffeegeschirr. Es fiel mir nicht schwer, sie in eine leichte Trance zu versetzen und ihr Bewußtsein zu übernehmen. Solange ich in ihrem Körper weilte, würde ihre Seele ruhen. Wenn ich sie verließ, würde sie keine Erinnerung mehr an das Vorgefallene haben.
Dr. Halström sah auf, als seine Haushälterin unangemeldet das Zimmer betrat.
»Nanu, schon fertig mit dem Kaffee?«
Ich schüttelte den Kopf, schloß die Tür und ging zu ihm. Ich streckte ihm die Hand entgegen.
»Guten Tag, Dr. Halström. Ich freue mich. Sie wiederzusehen. Ich bin Alan Winter.«
Dr. Halström starrte mich an wie einen Geist, dann schüttelte er den Kopf und deutete auf den freien Sessel.
»Setzen Sie sich, Alan. Ich finde es zwar etwas merkwürdig, wenn ich plötzlich meine Haushälterin mit ›Alan‹ anrede, aber ich glaube, ich beginne mich an die ungewöhnlichsten Dinge zu gewöhnen. Wo haben Sie denn Ihren Körper gelassen?«
Ich berichtete ihm von dem Unfall. Dann bat ich ihn:
»Was macht Dr. Frederik? Könnten Sie ihn kommen lassen? Ich habe ihm viel zu berichten.«
Dr. Halström fragte nicht viel. Er stand auf und ging zum Telefon. Der Arzt versprach, in einer halben Stunde dazusein. Dr. Halström setzte sich wieder.
»Trotzdem könnten wir Kaffee trinken. Würden Sie so freundlich sein, ihn zu bringen?«
Nach dem Kaffee tranken wir Whisky. Ich nahm einen kräftigen Schluck und bemerkte, daß Dr. Halström grinste. Er sagte:
»Damit habe ich den endgültigen Beweis, daß Sie nicht Frau Merten sind. Meine Haushälterin hat noch nie einen Tropfen Alkohol zu sich genommen. Sie würde vor Ekel sterben, wenn sie das wüßte.«
»Sie wird sich nicht daran erinnern«, versicherte ich ihm lachend. »Selbst wenn ich jetzt drei oder vier Gläser trinke, würde sie es nicht bemerken. Sie wäre, wenn mein Bewußtsein sie wieder verließe, vollkommen nüchtern. Was ist übrigens mit dem Tibeter geschehen?«
»Dr. Frederik hat ihn vor vierzehn Tagen entlassen können. Zwar weiß er nicht, wie er nach Europa gekommen ist, aber sonst kann er sich an sein vergangenes Leben wieder erinnern. Er fährt nach Tibet zurück. Wir haben ihm die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt.«
Dr. Frederik kam, schüttelte mir erfreut die Hand und setzte sich.
»Konnten Sie sich nicht eine andere Verkleidung aussuchen? Ausgerechnet Frau Merten! Ich werde künftig immer Hemmungen haben, wenn ich sie sehe. Was also haben Sie uns zu erzählen? Ich nehme an, Sie haben in den vergangenen Wochen viel experimentiert. Ist etwas dabei herausgekommen?«
Ich nickte.
»Davon wollte ich Ihnen berichten. Es ist mir gelungen, das Erinnerungsvermögen meiner Seele fast vollständig zu wecken. Es gibt natürlich immer noch Lücken, aber sie betreffen in der Hauptsache Perioden, in denen ich keinen Körper besaß. Zwischen Tod und Wiedergeburt liegen oft Zeiträume bis zu fünfhundert Jahren. Ich habe nicht den Eindruck, daß meine Seele während dieser Epochen ständig auf der Suche nach einem Körper war, im Gegenteil. Ich habe vielmehr das Gefühl, daß die Rückkehr in einen Körper eine fast unangenehme Pflicht darstellte. Aber da bin ich nicht ganz sicher.«
Dr. Frederik beugte sich vor und sah mich an.
»Was haben Sie sonst noch erfahren können? Was wissen Sie über unsere Geschichte? Wie weit reicht Ihre Erinnerung zurück? Ein paar tausend Jahre?«
»Weit mehr«, versicherte ich. »Ich habe einige meiner Vermutungen bestätigt gefunden, andere wieder nicht. Eine genaue Zeitbestimmung ist unmöglich, denn es hatte damals keine entsprechenden Kalender gegeben. Beim Zurücktasten in die ersten vier oder fünf Jahrtausende kamen mir meine Geschichtskenntnisse sehr zustatten. Aber diese Kenntnisse versagten, als ich weiter zurückging. Was wissen wir schon von jenen Zeiträumen, die mehr als sechstausend Jahre zurückliegen? So gut wie nichts. Es gab keine großen Zivilisationen. Die Menschen waren Nomaden, und die einzelnen Rassen und Völker hatten keine Verbindung miteinander. Etwa siebentausend Jahre vor Christi beobachtete ich die Landung eines Raumschiffs. Glauben Sie nicht, daß ich phantasiere. Aber ich bin selbst dabeigewesen. Und diesmal begriff ich, was geschah. Es waren Menschen wie wir, die aus dem Schiff kamen. Später flogen sie weiter und landeten an anderen Orten der Erde. Überall ließen sie Spuren zurück, Spuren, die wir noch heute finden können. Als sie endgültig unsere Welt verließen, taten
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