Der Stalker
Fluchtmöglichkeit um. Leuchtete mit ihrem Handydisplay in jede Ecke. Es gab keinen anderen Ausgang als über die Treppe.
Ein knarrender Schritt an Deck, dann noch einer.
»Oh mein Gott, oh mein Gott …« Sie atmete hektisch.
Ein weiterer Schritt, diesmal näher am Ruderhaus.
Sie hatte das Handy griffbereit, konnte jederzeit wählen. Sie hoffte nur, dass ihre Kollegen es schnell genug schaffen würden.
Die Tür über ihr öffnete sich. Eine Stimme rief zu ihr herunter.
»Was machst du da?«
Anni schloss die Augen und erstarrte.
65 Phil hatte Glück. Das Gebäude, in dem Julie Miller wohnte, verfügte über einen Portier.
»Krasse Geschichte«, meinte dieser. Er war klein und etwa Mitte fünfzig, und alles an ihm war rund: der kahle Schädel, die Augen hinter den Weitsichtgläsern seiner Brille, der stattliche Bauch. Sogar seine Beine waren nach außen gebogen. Er zeigte sich hilfsbereit und freundlich, wenngleich die Tätowierungen auf seinen Handrücken – mit blauer Tinte selbst gestochen – von einer nicht ganz astreinen Vergangenheit erzählten. Automatisch fragte sich Phil, ob er schon mal mit dem Mann zu tun gehabt hatte. Er konnte sich nicht an ihn erinnern, und das war vermutlich auch besser so. Schließlich hatte jeder eine zweite Chance verdient.
»Julie Miller …« Der Portier runzelte die Stirn. »Heftig.«
»Mich interessiert nur, ob Sie hier im Haus irgendwas Ungewöhnliches beobachtet haben.«
Die Falten auf der Stirn des Mannes wurden noch tiefer. »Ungewöhnlich? Was meinen Sie damit?«
»Na ja.« Phil bemühte sich um ein Beispiel. »Unbekannte, die ein und aus gehen. Bewohner, die plötzlich verschwinden und nicht mehr auftauchen. Solche Dinge.«
»Hmm.«
Der Mann schien angestrengt nachzudenken. Phil beschloss, es ihm zu glauben. Vielleicht wollte er wirklich helfen. Seine Vergangenheit hinter sich lassen.
»Haben Sie vielleicht eine Beschreibung? Von dieser Person, die mir aufgefallen sein soll?«
»Ich fürchte, nein.«
»Woher soll ich dann wissen, ob ich sie gesehen hab?«
Phil schmunzelte. Die Logik des Mannes war bestechend. »Das sollen Sie ja gar nicht. Ich möchte wissen, ob Ihnen überhaupt jemand aufgefallen ist.«
»Hmm. Nicht so einfach. Die Leute, die das Geld auf den Tisch legen, um hier zu wohnen, die haben gerne ein bisschen Privatsphäre. Die wollen, dass man nicht immer so genau hinschaut, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Ja, ich weiß. Aber vielleicht fällt Ihnen trotzdem was ein.« Phil hatte eine Idee. »Irgendwas in der Nähe von Julie Millers Wohnung?«
Erneutes Stirnrunzeln. Dann wurden seine Augen plötzlich groß, als sei in seinem Kopf eine Birne angegangen. »Die Palmers. Christopher und Charlotte.«
»Was ist mit denen?«
»Die sind verreist. Ziemlich lange schon. Ganz plötzlich. Im Lotto gewonnen, hab ich gehört.«
Phils Pulsschlag beschleunigte sich. In seinen Fingerspitzen begann es zu kribbeln. »Wo wohnen die Palmers?«
»In der Wohnung über Julie Miller.«
Mit Hilfe des Generalschlüssels verschaffte sich Phil Zutritt zur Wohnung der Palmers.
Eigentlich hatte der Portier mitkommen wollen, aber Phil hatte ihn abgewimmelt. Sicher meinte er es nur gut, aber das Letzte, was Phil jetzt brauchen konnte, war ein Zivilist, dem er Händchen halten musste.
Phil schloss die Tür und sah sich um. Man musste kein Detective sein, um zu merken, dass etwas nicht stimmte.
Die Bewohner waren länger nicht daheim gewesen, aber irgendjemand hatte hier gehaust. Und es war nicht schwer zu erraten, wer. Leere Red-Bull-Dosen lagen überall verstreut, dazwischen Verpackungen von Energieriegeln. Massenweise leere Konservendosen, in einigen steckte noch der Löffel. Genau wie auf Suzanne Perrys Dachboden. Hier hatte sich jemand breitgemacht, der keinerlei Respekt für seine Umgebung gehabt hatte.
Phil ging ins Schlafzimmer. Dieselbe Unordnung: Laken und Bettdecken waren achtlos auf den Boden geworfen worden. Er ging ins Wohnzimmer zurück und ließ seinen Blick erneut durch den Raum schweifen. Er ist hier gewesen, ganz sicher . Er musste den Leuten von der Spurensicherung Bescheid sagen, damit sie Julie Millers Wohnung nach versteckten Kameras absuchten. Garantiert würden sie welche finden.
Als Letztes nahm sich Phil das Badezimmer vor. Der Duschvorhang war zugezogen, als stünde gerade jemand unter der Dusche. Phil zog ihn zurück.
Und schnappte nach Luft.
»Ach du Scheiße!«
Er fummelte sein Handy aus der Tasche und drückte die
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