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Der Stalker

Der Stalker

Titel: Der Stalker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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mit rostigen »Zutritt verboten«-Schildern und dahinter stapelweise mit Moos überwachsenes Holz und überquellende Müllcontainer. Schutthalden bildeten kleine Bergketten auf Höfen aus geborstenen Betonplatten, in deren Rissen Unkraut wuchs. Die wenigen Gebäude, die hier noch standen, waren eingeschossig und mindestens vierzig Jahre alt. Am hintersten Ende des Kais befand sich ein riesiges altes Gebäude, das, wie der verblasste, verwitterte Schriftzug an der Seite verriet, ehemals die Colchester Dock Transit Company beherbergt hatte. Die Wellblechverkleidung war rostzerfressen, der Containerkran uralt. Graffiti zierten die Wände und sorgten in der ansonsten trostlosen Umgebung für einige wohltuende Farbtupfer. An den zugenagelten Türen warnten Schilder vor dem Betreten des einsturzgefährdeten Gebäudes.
    Die Boote, die hier festgemacht hatten, sahen so aus wie ihre Umgebung. Rostige Wracks und uralte Fischkutter, die ihre Tage auf See längst hinter sich hatten. Jetzt lagen sie hier und zerfielen allmählich in ihre Einzelteile, die von den Gezeiten ins Meer gespült wurden.
    Auf einem dieser Boote wohnte der nächste Kandidat auf Annis Liste.
    »Hallo, Mr Buchan?«, rief sie erneut, diesmal etwas zaghafter.
    Immer noch keine Antwort.
    Nichts an Deck deutete darauf hin, dass das Boot bewohnt oder auch nur bewohnbar war, abgesehen von einem handgemalten Schild, das schief am Haltetau des wackligen Bootsstegs befestigt war. Rani .
    Sie sah sich um. Niemand da. Trotz des heißen Sonnentags und wolkenlosen Himmels lief ihr in dieser Umgebung ein kalter Schauer über den Rücken.
    Der Steg war nicht abgesperrt. Auch die Tür zur Kabine schien nicht verschlossen zu sein. Erneut sah Anni sich rasch um, dann ging sie an Deck.
    Es war Ebbe, und das Boot lag leicht zur Seite geneigt auf einer Bank aus Schlick. Anni überquerte das Deck, wobei sie genau aufpasste, wohin sie trat. Einige der Planken sahen ziemlich morsch aus. Sie gelangte zum Ruderhaus, beugte sich vor und zog am Griff der kleinen hölzernen Tür. Tatsächlich. Unverschlossen. Langsam schwang die Tür an quietschenden Scharnieren auf. Ein Geräusch wie aus einem Horrorfilm. Vor ihr in der Dunkelheit einige schmale Stufen, die nach unten führten.
    »Mr Buchan?«
    Nichts, nur das Echo ihrer eigenen Stimme.
    Wieder ein Blick zurück. Dann wagte sich Anni langsam und vorsichtig die Stufen hinab.
    Das einzige Licht in der Kabine kam durch Ritzen in der hölzernen Decke und den rostenden Wänden. Die Strahlen kreuzten sich vor ihr, und Staub tanzte in ihnen.
    Anni blickte sich um und verzog das Gesicht.
    Auf dem Boden lagen ein Schlafsack, einige alte Zeitungen und ein Haufen schmutziger Unterwäsche und T-Shirts. Daneben stapelten sich leere Konservendosen, in denen Schimmelpilze in verschiedenen Wachstumsstadien gediehen. Es sah aus wie in einem Chemiewaffenlabor der Al Kaida. Es stank nach Unrat und Verwesung. Als Anni sich bewegte, raschelte es zu ihren Füßen.
    Das alles war schon unangenehm genug. Aber was ihr einen richtigen Schauer über den Rücken jagte, waren die Wände.
    Bilder. Überall Bilder. Die Wände waren regelrecht damit zugepflastert. Einige waren aus Illustrierten ausgeschnitten, Oben-ohne-Modelle und Prominente. Andere aus Pornoheften, nackte Frauen mit gespreizten Beinen und aufgepumpten Brüsten in gespielter Ekstase. Auch selbstgemachte Aufnahmen waren dabei. Anni nahm ihr Handy aus der Tasche und leuchtete mit dem Display, um sie sich genauer anzusehen.
    Auf manchen Bildern erkannte sie den Hintergrund wieder. Das Shopping-Center von Colchester. Die Maldon Road. Das Krankenhaus, in dem Suzanne Perry und Zoe Herriot gearbeitet hatten. Die Fotos waren verschwommen und körnig, als wären sie ohne Wissen der Personen aufgenommen worden.
    Überwachungsfotos.
    Wie sie ein Stalker von seinem Opfer machen würde.
    Annis Herz setzte einen Schlag aus. Sie ahnte, wer die Frauen auf den Fotos waren.
    Aber es war nur eine Vermutung. Eine endgültige Identifizierung war unmöglich, denn alle Bilder, ob nun die aus den Illustrierten, aus den Sexheften oder die selbstgemachten Aufnahmen, hatten eins gemeinsam.
    Den Frauen darauf waren die Augen ausgekratzt worden.
    Anni stolperte zurück. Das Herz hämmerte in ihrer Brust, und auf einmal wollte sie nur noch weg. Sie trat aus Versehen auf den Schlafsack und stieß einen leisen Schrei aus.
    Dann erstarrte sie.
    Ein Geräusch an Deck.
    Jemand war auf dem Boot.
    Verzweifelt sah sich Anni nach einer

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