Der Stalker
männlich. Das war’s. Kein auffälliger Gang, keine hervorstechenden körperlichen Merkmale.
Dann stieg der Beifahrer aus und ging ebenfalls nach hinten. Der Lieferwagen war so geparkt, dass sich der Beifahrer auf der Mickey abgewandten Wagenseite befand und deshalb schwerer zu erkennen war. Er war genauso gekleidet wie der Fahrer: Flecktarn, Stiefel, Wollkappe, Sonnenbrille. Aber da hörte die Ähnlichkeit auch schon auf.
Der Beifahrer war ein gutes Stück größer und bewegte sich schwerfälliger als der Fahrer. Irgendetwas stimmte nicht mit seinem Gang. Er spreizte beim Gehen das linke Bein ab und humpelte merklich.
Mickey lächelte.
Als Nächstes konzentrierte er sich auf das Gesicht des Beifahrers, und sein Lächeln wurde breiter. Die Hautpartien, die Mickey erkennen konnte, waren an einigen Stellen krebsrot und unnatürlich glatt, an anderen Stellen vernarbt und wulstig.
Verbrennungen.
Er sah, wie die beiden Männer die hinteren Türen öffneten, sich hineinlehnten und unter Mühen etwas aus dem Laderaum zogen. Ein schweres Bündel. Nein, ein zusammengerollter Teppich. Mickey kniff die Augen zusammen. An einigen Stellen hatte der Teppich dunkle Flecken. Sein Herz überschlug sich.
Blut.
Jetzt war auch klar, was in den Teppich eingewickelt war. Man musste kein Genie sein, um zu erkennen, dass es sich um einen menschlichen Körper handelte.
Er drückte sich, so tief er konnte, in seinen Sitz, damit die beiden ihn nicht sahen. Sein Herz hämmerte im Speed-Metal-Rhythmus, sein Atem kam schnell und flach. Die beiden Männer schleppten ihre Last aufs Boot und verschwanden mit ihr unter Deck. Mickey stieß Luft aus, von der er gar nicht wusste, dass er sie angehalten hatte.
Dann wartete er weiter. Eine ganze Weile geschah gar nichts.
Er griff nach dem Funkgerät, um Verstärkung anzufordern. Die bewaffnete Einheit, die Phil ihm versprochen hatte. Dann nahm er eine Bewegung auf dem Boot wahr.
Mickey legte das Funkgerät weg und beobachtete weiter.
Einer der beiden, der Fahrer, war zurück an Deck gekommen und ging über den Steg von Bord. Er ging zum Nemo, setzte sich hinters Steuer und ließ den Motor an.
Unschlüssig sah Mickey zwischen dem Lieferwagen und dem Boot hin und her.
Der Fahrer gab Gas.
Wieder ein abwägender Blick. Der Vernarbte hatte eine Geisel auf dem Boot, aber kein Fahrzeug. Was auch immer er da unten trieb, er würde bestimmt nicht so schnell verschwinden. Wohingegen der Fahrer des Lieferwagens gleich verschwinden würde. Vielleicht würde es nie wieder eine Chance geben, ihn zu schnappen.
Mickeys Entschluss stand fest. Er wartete, bis der Lieferwagen gewendet hatte und in die Straße eingebogen war. Dann ließ er zur Sicherheit noch ein paar Sekunden verstreichen.
Sobald er sich an seine Stoßstange geheftet hatte, griff er wieder zum Funkgerät.
»Verfolge einen Verdächtigen, schwarzer Citroën Nemo, Kennzeichen …«
Dann gab er noch durch, was sich auf dem Boot abspielte. Das war etwas für Phils bewaffnete Sondereinheit. Aber der Fahrer des Lieferwagens, der gehörte ihm allein.
Er lächelte und schaltete wieder auf Radio One um.
Endlich bekam sein Adrenalin etwas zu tun.
79 »Ah …«, seufzte der Creeper. »Endlich allein …« Zum ersten Mal seit langer, langer Zeit empfand er so etwas wie Glück.
Er betrachtete die Gestalt, die vor ihm lag. Er hatte den Teppich entrollt und seinen Inhalt auf den Boden der Kabine rutschen lassen. Rani. Sie lag vollkommen reglos da, war aber wach. Mit weit aufgerissenen Augen blickte sie sich um.
Er kniete sich neben sie. »Na? Bist du wach, meine Schöne?«
Er war ganz außer sich vor Aufregung. Hier war sie. Nach all der Zeit. Endlich allein mit ihr. Endlich. Sein Herz schlug in seiner Kehle, und sein Magen machte einen Satz nach dem anderen vor lauter Vorfreude. Er wollte sie mit all seinen Sinnen wahrnehmen. Zunächst betrachtete er sie nur, verschlang ihren Körper mit seinen Blicken. Dann schloss er die Augen, beugte sich ganz dicht über sie und schnupperte an ihr. Tief sog er ihren Duft ein. Den Geruch ihres Schweißes. Alles. Es war nichts Schlechtes an ihr, alles war wunderbar. Weil sie überall Rani war. Als Nächstes wollte er sie schmecken, seine Lippen auf ihre Haut drücken, sie mit seiner Zunge streicheln, sie überall küssen, lecken …
Dafür war später noch mehr als genug Zeit. Fürs Erste würde er es langsam angehen lassen. Er streckte die Hand aus und begann ihr Haar zu streicheln. Sie rührte sich
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