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Der Stalker

Der Stalker

Titel: Der Stalker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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einigen blauen Flecken und Abschürfungen an der Wange, mehr oder weniger unverletzt. Er sah sich um. Die Warnung war gerade noch rechtzeitig gekommen. Niemand war der Explosion zum Opfer gefallen.
    Aus dem Bootsrumpf quoll öliger schwarzer Qualm. Flammen züngelten in den Himmel. Die Autofahrer auf dem Colne Causeway starrten wie gebannt auf das Spektakel, und am gegenüberliegenden Ufer standen Menschen an den Fenstern und Türen ihrer Wohnungen.
    »Wir brauchen einen Löschzug hier, sofort!«, rief Phil, dann sah er sich nach Rose um. Sie lag noch mit angezogenen Beinen seitlich auf der Erde. Ebenfalls unverletzt.
    »Der Mistkerl hat auf uns gewartet«, fluchte Wade. »Er muss gewarnt worden sein. Aber wir kriegen ihn.«
    »Sorgen Sie dafür, dass sie ins Krankenhaus gebracht wird«, bat Phil und ging los.
    »Wo wollen Sie denn hin?«, rief Wade ihm hinterher, ganz offensichtlich nicht glücklich darüber, dass er den Einsatzbericht nun ganz allein würde schreiben müssen.
    »Ich komme zurück«, sagte Phil. »Ich will nur mit der Person reden, die uns sagen kann, wo Buchan steckt.«
    88 Auf den ersten Blick wirkte Mark Turner wie ein ganz gewöhnlicher junger Mann. Genau wie der Raum, in dem er saß, hatte er absolut nichts Bemerkenswertes an sich.
    Die mittellangen dunklen Haare hatte er sich, wie bei Studenten Mode, seitlich in die Stirn frisiert, und er trug die übliche Einheitskluft aus Jeans und T-Shirt. Selbst der kryptische Spruch auf seiner Brust war nichts weiter als der genormte Versuch, einer nicht vorhandenen Individualität Ausdruck zu verleihen.
    In dieser Hinsicht passte er sich hervorragend seiner Umgebung an. Ein Tisch und zwei Stühle aus grau lackiertem Metall und zerkratztem Holz, die anderswo ausgemustert worden waren. Neonröhren an der Decke, in deren fahlem Licht Turners Augen und Wangen eingefallen wirkten. Ein leeres Gefäß, das gefüllt werden musste. Eine Puppe, die darauf wartete, dass jemand sie aufzog.
    Und dieser Jemand war Mickey Philips.
    »Sehen Sie ihn sich an.« Marina stand vor dem Spiegelfenster im Beobachtungsraum und deutete auf Turner, der völlig unbewegt dasaß. Er schien nicht einmal zu atmen. »Wer war das noch gleich, Flaubert oder Balzac?«
    Mickey sah sie leicht verstört an.
    »Es gibt da ein Zitat: ›Sei im Leben gewöhnlich, damit du in der Kunst radikal sein kannst.‹ So ungefähr. Halten Sie das für eine treffende Beschreibung unseres Freundes da drinnen?«
    »Was – Sie finden, was er gemacht hat, ist Kunst?«
    Marina schüttelte den Kopf. Ihr Blick war sanft und geduldig, als versuche sie, jemandem, der eine andere Sprache sprach, einen komplexen Sachverhalt zu erklären.
    »Nein«, sagte sie. »Ganz und gar nicht. Ich meinte bloß, dass er nach außen hin den Eindruck erweckt, als würde er ein ganz normales Leben führen – Uni, sein Filmclub und so weiter. Obwohl er in Wirklichkeit nur seine gesamte Energie aufspart, um seine perversen Phantasien ausleben zu können. Stimmen Sie mir zu?«
    »Sie meinen, er hat zwei Gesichter?«
    »Genau.«
    »Ja.« Mickey nickte entschieden. Wenn man es so formulierte, war es absolut einleuchtend. »Auf jeden Fall.«
    Gleich nachdem Marina erfahren hatte, dass Mickey das Verhör leiten würde, hatte sie sich mit ihm in den Beobachtungsraum zurückgezogen. Sie hatte ihn gefragt, ob er eine Funkverbindung wünsche – so arbeite sie normalerweise immer mit Phil. Mickey hatte so etwas noch nie ausprobiert und war sich nicht sicher, ob er es überhaupt brauchen würde. Schließlich war es nicht seine erste Vernehmung. Er wusste genau, was er zu tun hatte. Hatte sich sogar schon die ersten Fragen zurechtgelegt.
    Wo ist Suzanne?
    Wo ist Julie?
    Was haben Sie mit ihnen gemacht?
    Sagen Sie uns, wo sie sind.
    So ungefähr. Er hatte sich noch nicht entschieden, wollte abwarten, wie sich das Gespräch entwickelte.
    Marina warf einen Blick in Turners Akte. »Es gibt eine Frage, die in diesem Fall noch nicht gestellt wurde. Zumindest weiß ich nichts davon. Dabei halte ich sie für zentral. Sie hätte eigentlich Dreh- und Angelpunkt der gesamten Ermittlung sein müssen. Warum hassen Männer Frauen so sehr?«
    »Was?« Mickey war entrüstet. Was wollte sie damit sagen? »Meinen Sie mich?«
    »Ich meine alle Männer. Oder zumindest alle Männer, die sich entsprechend verhalten.«
    »Also, ich hoffe, dass Sie mich nicht dazuzählen. Ich bin kein Frauenhasser.«
    »Sie wollten noch nie eine Frau schlagen? Sie für irgendetwas

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