Der Stalker
hübsch aus. Bei dem Gedanken fühlte sich Suzanne gleich noch mieser.
»Du hast gesagt, ich soll vorbeikommen. Ich musste mich extra krankmelden deswegen, also raus mit der Sprache.«
Suzanne seufzte, nahm den Becher wieder in beide Hände und hielt ihn wie einen Schild vor dem Körper. Dann erzählte sie ihrer besten Freundin alles.
»Tja …« Ihr Bericht hatte keinen richtigen Schluss, irgendwann ging ihr bloß die Energie aus. »Das war’s …«
Zoe starrte Suzanne mit großen Augen und leicht geöffnetem Mund an. Auf einmal war Suzanne schrecklich müde.
»Mein Gott, Suzanne, das ist ja furchtbar!«
Suzanne schloss die Augen und schwieg. Das wusste sie selbst.
Zoe beugte sich zu ihr. »War das –«
Suzanne öffnete wieder ihre Augen. »Nein, das kann nicht sein, ich … Nein.« Sie seufzte. »Nein.« Ließ den Kopf hängen. »Nein.«
Zoe lehnte sich zurück und schwieg nachdenklich.
Suzanne sah zu ihrer Freundin auf. »Wieso hätte er es tun sollen? Wieso jetzt?« Wieder brodelten alle möglichen Emotionen in ihr hoch. »Wieso …«
»Nein, er kann es auf keinen Fall gewesen sein. Anthony, meine ich.«
»Du warst nicht dabei, Zoe. Du hast das Foto nicht gesehen, du hattest nicht diesen furchtbaren Traum.« Suzannes Gedanken wanderten zurück zur vergangenen Nacht. »Der Traum, mein Gott, Zoe …«
»Suzanne.« Zoe fing ihren Blick auf. Ihre Augen waren klar und strahlend blau, nicht schlammfarben wie Suzannes. Sie nahm die Hand ihrer Freundin.
»Bist du jetzt meine Therapeutin?« Suzannes Lächeln war so dünn wie ihre Stimme.
»Ich nehme mir die Arbeit eben mit nach Hause«, sagte Zoe. »Jetzt atme erst mal ganz tief durch. Beruhige dich. Anthony kann es nicht gewesen sein, das weißt du.«
Suzanne sagte nichts, konzentrierte sich ganz auf ihren Atem. Wartete darauf, dass Zoe fortfuhr.
»Was damals mit Anthony passiert ist … das ist vorbei. Ein für alle Mal gegessen.«
Auch dazu sagte Suzanne nichts, sondern wandte bloß den Kopf ab.
Zoe versuchte vergeblich, den Blickkontakt wiederherzustellen. Dann runzelte sie misstrauisch die Stirn. »Suzanne. Das ist doch vorbei, oder?«
Suzanne schwieg.
Zoe ließ die Hand ihrer Freundin los und rückte ein Stück von ihr ab. »Oh nein, Suzanne! Jetzt sag bloß nicht, dass du –«
Suzanne sah auf. »Nein. Bin ich nicht.«
»Sicher?«
»Ja«, sagte Suzanne, den Blick auf den Teppich geheftet. »Ganz sicher.«
»Gut.« Zoe lächelte. »Also, auf jeden Fall musst du keine Angst mehr haben. Ich bleibe heute Nacht hier.«
Suzanne sah sie erstaunt an. »Aber das geht doch nicht.«
»Warum nicht? Es ist besser, wenn du jetzt nicht alleine bist. Ich bleibe hier und leiste dir Gesellschaft. Morgen früh können wir zusammen zur Arbeit fahren. Du gehst doch morgen wieder zur Arbeit, oder?«
»Ja, ich denke schon, aber …« Suzanne versuchte einen Grund zu finden, das Angebot auszuschlagen. Das war typisch Zoe. Bildhübsch, und ein großes Herz hatte sie auch noch. Manchmal fand Suzanne, dass sie ihrer Freundschaft gar nicht würdig war. »Was ist mit Russell, der …«
»… wird schon ein paar Tage ohne mich überleben.« Zoe grinste. »Das gibt ihm die Chance, mich zu vermissen. Dann weiß er mich wenigstens richtig zu schätzen, wenn ich zurückkomme.«
»Aber …« Wieder spürte Suzanne Tränen in ihren Augen aufsteigen.
»Hör auf damit. Schluss jetzt.« Zoe stand auf. »Ich fahre nur schnell nach Hause und hole ein paar Sachen. Kommst du eine Stunde allein zurecht oder willst du mitkommen?«
»Nein, ich schaff das schon.«
»Schließ die Tür hinter mir ab.«
Suzanne tat wie geheißen und überprüfte die Schlösser dreimal. Dann ging sie zurück ins Wohnzimmer und setzte sich aufs Sofa. Ihr Kaffee war kalt geworden. Sie sah sich nach einer Beschäftigung um. Nach etwas, das sie ablenken würde, bis Zoe wieder da war. Ihr Blick fiel auf das Telefon.
Nein.
Nein. Auf gar keinen Fall.
Sie wusste genau, was sie tun würde. Wen sie anrufen würde. Nein.
Sie nahm das Telefon in die Hand. Legte es zurück auf den Tisch.
Starrte es an.
Nein.
Hob es wieder hoch. Ihre Hand war eine Klaue, die den Apparat umklammert hielt wie ein Adler seine Beute.
Sie wählte eine Nummer, die sie auswendig kannte. Eine Nummer, die sie nie vergessen hatte.
17 Anni Hepburn starrte das Gemälde an der Wand an und fragte sich, was sie von ihm und seinem Besitzer halten sollte.
Das Bild stach in dem schlauchförmigen, vollgestopften Raum, der
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