Der Stalker
die wahrhaft dunkle Nacht der Seele …
Natriumgelbes Licht und lebendige Schatten …
Ich hab alle Schlösser überprüft, mehrmals …
Das Messer …
Hunger …
Sie sackte auf die Knie. Ihre Hände an der Kehle waren heiß und feucht.
Alptraum …
Sie sah, wie der Schatten aus dem Raum glitt, in Richtung Schlafzimmer. Sie versuchte zu rufen, aber kein Laut kam über ihre Lippen, da war nichts als rote Hitze.
Die Dunkelheit vor Zoes Augen wurde immer dichter, eine Dunkelheit, die schwärzer war als jede Nacht. In der es kein Licht und keinen Schatten gab.
Ihre Augen fielen zu, sie spürte Hunger und Traurigkeit und Verwirrung.
Und sie hatte Angst.
Solche Angst.
Sie fiel auf die Fliesen, ihr Körper zuckte und zitterte, als versuche er mit aller Macht, auch noch die letzten Luftmoleküle aus ihrer Lunge zu pressen, und dann war keine Zeit mehr, irgendetwas zu fühlen oder zu denken.
Leere.
ZWEITER TEIL
32 Und wieder einmal stand Phil an der Schwelle. Am Übergang zu einer anderen Welt.
Es war eine düstere und geheime Welt, die neben der ganz alltäglichen existierte. Jede Berührung mit ihr war schmerzhaft und bedrückend, es war eine Welt der Qual und des sinnlosen Sterbens, der Trauer und Verzweiflung. In ihr verwandelten sich Orte des Friedens und der Zuflucht zu kalten Schlachthäusern. Sie zerstörte Menschenleben nicht nur durch das, was sie nahm, sondern auch durch das, was sie zurückließ.
Die meisten Menschen wussten von ihrer Existenz, zogen es aber vor, sie zu ignorieren, weil sie hofften, dass sie niemals mit ihr in Berührung kommen würden. Dass solche Dinge nur anderen passierten, aber nicht ihnen. Niemals ihnen.
Ein Trugschluss. Das Tor zu dieser geheimen Welt konnte sich jederzeit und überall auftun, vor jedem Menschen. Das war die unausgesprochene Wahrheit. Ihr bestgehütetes Geheimnis, von dem doch alle wussten.
An diesem Morgen befand sie sich in Suzanne Perrys Wohnung in der Maldon Road in Colchester.
Leichenfunde in Wohnungen waren das Schrecklichste, fand Phil. Die Tote am Kai war schon schlimm genug gewesen. Aber draußen im Freien hatte man wenigstens Raum zum Ausweichen, zum Wegschauen. Tote in einer häuslichen Umgebung setzten ihm viel mehr zu. Hier war es unmöglich wegzusehen. Egal, wie sehr man sich bemühte, der Blick wanderte doch immer wieder zur Leiche zurück.
»Nicht schon wieder.«
Phil war gar nicht bewusst, dass er es laut gesagt hatte, bis die anderen sich zu ihm umdrehten. Aber er hatte nur ausgesprochen, was alle dachten.
Er stand in der Tür zur Küche. Oder vielmehr: zu dem Raum, der früher einmal eine Küche gewesen war. Jetzt war er ein Schlachtraum. Blutspritzer an den Wänden, an der Decke, auf dem Fußboden. Auf jeder Oberfläche, in jedem Winkel war Blut. Überall.
Phil blickte auf die Leiche der blonden Frau hinab. Ihr Kopf war weit nach hinten überstreckt, wie es bei einem Lebenden niemals möglich gewesen wäre. Der Schnitt in ihrer Kehle klaffte tief und purpurrot und sah aus wie ein widerliches Clownsgrinsen. Die Hände der jungen Frau hielten ihre Kehle umklammert, als hätte sie den Blutfluss stoppen wollen, und ihre Beine waren in einem unnatürlichen Winkel vom Körper abgespreizt, vermutlich weil sie im Todeskampf um sich getreten hatte. Ihre Augen waren weit aufgerissen, der Mund verwundert geöffnet, als verstünde sie nicht, was mit ihr geschehen war. Phil wurde das Herz schwer.
Mickey Philips war neben ihn getreten. »Morgen, Boss.«
»Mickey«, sagte Phil, ohne den Blick von der Leiche zu wenden. »Die Fakten?«
Mickey schlug seinen Notizblock auf. »Name Zoe Herriot. Logopädin am General Hospital. Der Freund hat uns alarmiert.«
Phil runzelte die Stirn. »Der Freund?«
»Ihre Freundin hatte irgendeine Krise, sie hat hier übernachtet.«
Phil nickte. Noch immer sah er Mickey nicht an, merkte allerdings, wie dieser ihn prüfend musterte. Er sah auf. »Was?«
Mickey wich seinem Blick aus. »Nichts, Boss. Bloß … nichts.«
Phil wusste, wie er aussah, aber es war ihm egal. Am Abend zuvor hatte er Marinas Brief gefunden. Hatte gelesen, dass sie Raum brauche, um zu einer Entscheidung zu kommen. Zeit, um über alles nachzudenken. Sie hatte Josephina mitgenommen und versprochen, sich gut um sie zu kümmern. Er solle nicht anrufen, überhaupt nicht versuchen, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Ihr Zeit und Abstand geben. Damit sie sich über einige Dinge klarwerden könne.
Auch über meine Liebe.
Er hatte nicht die
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