Der Stalker
fragend an. Es war klar, dass sie bleiben wollte, mehr noch: dass sie es als ihr Recht ansah. Phil aber hielt ihrem Blick eisern stand, bis sie sich schließlich geschlagen gab. Sie senkte den Kopf, ließ den BlackBerry in ihrer Tasche verschwinden und ging.
Phil wandte seine Aufmerksamkeit wieder Paula zu. »Hat DS Farrell gestern noch mit Ihnen gesprochen?«
Sie nickte. »Ja, hat er. Danke.«
»Keine Ursache. War die Angehörigenbetreuerin noch mal bei Ihnen?«
Ein erneutes Nicken. Paula hatte den Blick auf den Teppich geheftet. »Sie wollte hierbleiben, aber ich hab nein gesagt. Ich hab gesagt, es reicht, wenn sie sich meldet, sobald es was Neues gibt, damit ich das Gefühl hab, dass ich nicht ganz außen vor bin.« Sie sah auf. »Mehr will ich ja gar nicht, Mr Brennan. Ich will bloß wissen, was los ist.«
»Das verstehe ich doch.«
»Danke.«
Er rang sich ein weiteres Lächeln ab. Paulas Miene hingegen verdüsterte sich.
»Das Mädchen aus den Nachrichten – ist sie … ist das Ihr Fall?«
Er bejahte. »Und deswegen bin ich auch hier. Wir glauben – und ich muss betonen, dass wir noch nichts mit Sicherheit wissen –, dass die beiden Fälle irgendwie miteinander in Zusammenhang stehen.«
»Adele auch?«
»Deswegen wollte ich mit Ihnen sprechen«, sagte er. »Ich habe einige Fragen. Über Adele.«
Paula straffte die Schultern, als ahne sie, dass das Gespräch nicht angenehm werden würde.
Plötzlich polterte es in der Küche. Paula fuhr zusammen.
Phil unterdrückte einen Fluch und stand auf. »Entschuldigen Sie mich, ich bin gleich wieder da.«
44 Wieder hörte Suzanne nichts als ihren eigenen Atem.
Die andere Frau – ihre Mitgefangene, falls sie das war – hatte ihre Drohung wahr gemacht und kein Wort mehr gesprochen. In dem darauffolgenden Schweigen hatten sich immer mehr Fragen in Suzannes Kopf angehäuft, die jetzt darin herumtanzten und zischten wie Luftblasen in einem Topf mit siedendem Wasser. Fragen, Ängste, Schreie … aber keine Hoffnung.
Alles außer Hoffnung.
Sie versuchte, ihren Körper in eine bequemere Position zu manövrieren und ihren Rücken und ihre Seiten zu entlasten, damit ihre Muskeln nicht anfingen zu krampfen. Sie hatte gerade genug Platz, um sich auf die Seite zu drehen, aber lange hielt sie es nicht aus. Durch die Enge der Kiste landete sie früher oder später immer wieder auf dem Rücken.
Sie wusste nicht, wie lange sie schon hier lag. Minuten oder Stunden oder Tage. Nein, Tage konnten es noch nicht sein. Sie hatte noch nichts gegessen, seit sie hier aufgewacht war. Aber allmählich bekam sie Hunger. Ganz zu schweigen davon, dass sie dringend aufs Klo musste.
Wie aufs Stichwort fing ihr Magen an zu knurren.
Und der Druck in ihrer Blase wurde größer.
Wieder stieg Panik in ihr hoch. Sie versuchte sich umzudrehen, einen Weg nach draußen zu finden. Schlug mit gefesselten Fäusten gegen den Deckel der Kiste, wieder und wieder. Sie stöhnte und schrie vor Anstrengung.
Nichts. Irgendwann gab sie auf. Ihr keuchender Atem klang wie der eines Tieres, das zusammen mit ihr eingesperrt war.
»Es ist besser, wenn du einfach nur daliegst und nichts machst. Dann ist es leichter.«
Die Stimme war wieder da!
»Aber ich hab Hunger. Und ich muss aufs Klo!«
»Versuch es zurückzuhalten.« Die Stimme war leise und vorsichtig, aber fest. Jedes Wort wie ein Schritt auf dem Hochseil, wo eine falsche Bewegung einen Sturz ins Bodenlose bedeuten konnte.
»Zurückhalten – wie lange denn? Ich kann langsam nicht mehr!«
»Irgendwann lassen sie dich raus. Bis dahin musst du dich eben gedulden.«
»Was? Wann denn?«
»Weiß ich nicht.« Die Stimme schwankte kurz, fand nur mühsam das Gleichgewicht wieder. »Warte noch ein bisschen, irgendwann kommt er.«
Suzanne schloss die Augen. Es war sowieso alles egal.
»Und bitte mach nicht so viel Krach.« Jetzt war der Ton flehend. »Bitte.«
»Wieso nicht? Vielleicht hört uns ja jemand und holt uns hier raus.«
»Nein.« Das Wort hatte etwas Endgültiges. »Es hört uns niemand.«
»Woher willst du das wissen?« Dass jemand da war, der mit ihr redete, mit dem sie kommunizieren konnte, zu wissen, dass sie nicht allein war – das flößte Suzanne neue Hoffnung ein. Sie ignorierte die Gefahr, die diese Hoffnung mit sich brachte, und redete weiter. »Wenn wir Lärm machen, wenn wir beide gleichzeitig ganz laut rufen, dann hört uns vielleicht jemand …«
Was zurückkam, war ein schneidendes »Nein! Nein, auf keinen
Weitere Kostenlose Bücher