Der Stammgast
…«
»Sie vertrauen mir also doch nicht!«
Sie war betroffen von seiner Niedergeschlagenheit, die durch das Monokel und die äußere Korrektheit indirekt noch verstärkt wurde, zumal Jonsac sich normalerweise unnahbar, unsentimental, ruhig gab, der reine Gegensatz zu heute.
»Gut, ich komme«, sagte sie und senkte den Kopf.
Wenn er noch einmal unsicher wurde, dann nur kurz, denn er hob gleich die Hand, um ein Taxi anzuhalten. Fünf Minuten später betraten sie das Haus, und als Jonsac den Aufzug bediente, mußte er sich ein Lächeln verbeißen, denn Leyla fragte:
»Sind Sie sicher, daß Nouchi nicht da ist? Ich möchte nicht, daß sie womöglich denkt …«
»Sie ist überhaupt nicht fähig zu denken!«
Er rächte sich. Er brauchte das jetzt, er mußte seine Gefährtin schlechtmachen, um gegen die Worte anzugehen, die ihm ständig wiederkamen:
›Bei Leyla mußt du das machen …‹
Das … Es war das Lächerlichste, Blamabelste, was er je gemacht hatte, diese idiotische Gewaltanwendung vorige Nacht, als sie auf dem Bett sitzend die letzten Kleidungsstücke auszog und ihren Lachkrampf bekam.
Leyla blieb stehen, als sie aus dem Aufzug trat, und der angehaltene Atem verriet ihre innere Spannung. Doch Jonsac zog einen kleinen Schlüssel aus der Tasche und sperrte die Tür auf.
»Ist niemand da?«
Wie als Antwort auf die Frage des Mädchens hörte man erst ein Geräusch, dann erschien der neugierige Kopf der Negerin.
»Keine Angst. Kommen Sie.«
Jonsac hielt den grünen Vorhang auf, der das Vorzimmer vom Salon trennte, und Leyla trat in das vom Balkon hereinströmende Sonnenlicht. Er selbst ging zu Maria hinaus und gab ihr fünf türkische Pfund.
»Du gehst jetzt zwei Stunden spazieren! Hast du verstanden?«
Sie verzog den Mund zu einem breiten Lächeln.
»Und vorher kommst du nicht zurück, ja?«
Sie zwinkerte, und Jonsac konnte nicht anders als ebenfalls lächeln, und zwar siegesbewußt. Er stand neben Leyla, als die Wohnungstür ins Schloß fiel.
»Was ist das?«
»Nichts. Es ist die Negerin, die zum Einkaufen geht.«
Ein Verdacht huschte durch den Blick des Mädchens, und gleichzeitig verfinsterte eine Wolke die Sonne, die wiederkam, um von neuem zu verschwinden.
»Das Gewitter«, sagte sie, um etwas zu sagen.
Sie blieb stehen, rang nach Fassung, umklammerte mit beiden Händen ihre Handtasche.
»Eine hübsche Wohnung. Haben Sie sie selbst eingerichtet?«
»Ja.«
Er log. Aber er konnte sich jetzt nicht bei Nebensächlichkeiten aufhalten.
»Meine Eltern sind etwas altmodischer. Würde ich sie machen lassen, so würden sie alles mit Krimskrams vollstellen, überall Porträts, Aquarelle, Alben …«
Sie lachte, obwohl ihr gar nicht danach war, und er lachte linkisch mit.
»Setzen Sie sich.«
Er zeigte auf einen mit grünem Samt bezogenen Diwan, der an der Wand stand. Weil Windstöße die Vorhänge aufblähten, ging er zur Balkontür und schloß sie. Als er sich umdrehte, hielt Leyla die geöffnete Handtasche vor das Gesicht und fuhr mit einem Lippenstift über den Mund.
Auf dem Tisch lag ein Kleid von Nouchi, Jonsac knüllte es resolut zusammen und schleuderte es in eine Ecke. Um ein Haar hätte er die Bar geöffnet und ihr einen Porto angeboten. Aber das wäre nun doch zu dumm gewesen: Junggesellenwohnung, Porto, Kekse … Leyla hätte sofort begriffen …
»Warum waren Sie gestern so abweisend, als wir uns trennten?«
»War ich abweisend?«
Sie mimte die Erstaunte, steckte den Lippenstift in die Handtasche zurück, die sie nach einem Blick auf eine winzig kleine Uhr wieder zuschnappen ließ.
»Die ganze Nacht lang habe ich daran gedacht. Und stundenlang habe ich mir im stillen vorgesagt, was ich Ihnen sagen wollte, aber jetzt ist alles weg …«
›Sehr gut!‹ lobte er sich selbst. ›Glänzende Eröffnung!‹
»Aber es kommt Ihnen doch hoffentlich wieder in den Sinn«, antwortete sie.
»Vielleicht … Wenn Sie mir helfen …«
»Was soll ich tun?«
»Mir erlauben, daß ich mich neben Sie setze, und mich nicht anschauen …«
Noch im Sprechen hatte er sich neben Leyla gesetzt und ihr den Arm um die Taille gelegt. Er hatte den Eindruck, daß sie steifer wurde und in Abwehrhaltung ging »Jetzt brauchten wir bloß das Gespräch da weiterzuführen, wo wir es bei den ›Süßen Wassern‹ unterbrochen haben …«
Sie drehte sich zu ihm um und legte ihm mit ruhiger, unmißverständlicher Geste die Hand auf das Knie.
»Hören Sie …«
Er begriff, daß es nicht so leicht werden
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