Der Staubozean
Küchenstuhl und fing an, die Destillieranlage gewissenhaft zu säubern. Früher oder später würde ich etwas Schnaps darin destillieren müssen, und wenn es nur dazu diente, einen möglichen Verdacht Dalusas zu zerstreuen. Ich fragte mich, wieso ich von dieser Frau angezogen wurde. Es gab vermischte Motive, entschied ich.
Und die vielfachen Freuden, die ihre Gesellschaft bereitete, waren dabei nicht die kleinsten. Es mag Ihnen merkwürdig erscheinen, lieber Leser, aber versetzen Sie sich bitte an meine Stelle. Hat sich Ihre Freundin, Ihre Geliebte, Ihre Begleiterin schon einmal vorgebeugt und heiß auf Ihren Nacken gehaucht? Erinnern Sie sich an den quasi-erotischen Schauder, den Ihr Rückgrat hinabgesandt hat? Dann stellen Sie sich einen ähnlichen Reiz von Dalusa vor, deren Körpertemperatur die eines Menschen überstieg. Erinnern Sie sich an die ansteckende Erregung, die Ihnen vermittelt wird, wenn der Herzschlag Ihrer Partnerin sich beschleunigt? Der von Dalusa war fast doppelt so schnell wie der einer normalen Frau. Wenn die Vorstellung von der Frau als einem Objekt des Rätselhaften Sie reizt - nun, Dalusas fremde Herkunft verlieh ihr eine stete romantische Hülle. Und sie war schön. Was machte es schon, wenn ihre klassische Lieblichkeit das Geschenk chirurgischen Könnens war? Sie werden gewiß zustimmen, daß es die Seele im Innern ist, die wir lieben, eher als das reine Äußere. Sie stimmen dem zu, ob Sie es glauben oder nicht.
Das war die wesentliche Facette ihrer Anziehungskraft. Aber es gab eine starke unterschwellige Kraft, die Dalusa vielleicht mit Bedacht gepflegt hatte.
Jeder von uns hat sadomasochistische Eigenschaften. Meine schienen, auch wenn ich sie gut unter Kontrolle hatte, ziemlich stark zu sein. Ich hatte mir schon vor langer Zeit eingestanden, daß der Gebrauch von Drogen mich umbrachte. Diese Vorstellung war nur ein weiterer Teil meines Selbstbilds geworden. Aber Grausamkeit gegen sich selbst ist der erste und entscheidende Schritt zur Grausamkeit gegen andere.
Ich überdachte das alles, und es langweilte mich. Ich beschloß, an Deck zu gehen und mir das Plankton anzusehen, das Calothrick erwähnt hatte. Ich zog meine Staubmaske über.
Als ich durch die Luke trat, huschten die letzten Sonnenstrahlen über den Ostrand des nullaquanischen Kraters. Es war Nacht.
Aber es gab Sterne, und aus dem Meer um uns herum stieg ein schwacher grüner Glanz auf. Ich ging zur Reling und sah, daß um die Lunglance herum sich Quadratmeilen von Krill erstreckten, die in lebendem Licht brannten. Es war großartig. Plötzlich lächelte ich unter meiner Maske. Ich war froh, daß ich die Dinge getan hatte, die mich hierhergebracht hatten. Ich war froh zu leben, denn ich brauchte mein Leben, um das hier zu sehen.
Als ich an der Reling lehnte, flatterte vor mir plötzlich eine dunkle, geflügelte Gestalt, und in den dicht zusammengedrängten Kristallen tat sich ein schmaler, dunkler Streifen auf. Ein glühendes Kristallbündel bewegte sich mit der Leichtigkeit einer Schwalbe aus der Masse hinaus und befand sich plötzlich genau über mir. Grüne Kohlenstücke ergossen sich um mich herum, fielen wie Lava-Nuggets aus einem erkalteten Vulkan herab, prasselten über das Deck.
Die Haare in meinem Nacken wurden vom Luftzug ihrer Schwingen bewegt, als Dalusa neben mir niederging. Ein schwarzes gewebeähnliches Netz war noch immer an einem ihrer Knöchel befestigt.
Sie hatte mir im abgetrennten Fuß der Seemöwe Juwelen gebracht.
6
Der Sturm
B EIM F RÜHSTÜCK NÄCHSTEN M ORGEN im Zelt saß Calothrick direkt neben Murphig am Tisch. Die Pipette in der hohlen Hand versteckt, drückte er eine beträchtliche Dosis in Murphigs Haferschleim. Dann zwinkerte er mir zu.
Wir beide musterten Murphig besorgt. Behäbig säuberte der junge Nullaquaner seine Schüssel, stand in aller Gemütsruhe auf und ging aus dem Zelt. Ich hatte schon immer gewußt, daß Syncophin eine starke und schnelle Wirkung zeigt, aber trotzdem behielt ich ihn eine ganze Stunde lang im Auge. Nichts. Offensichtlich war es noch viel zu schwach.
Als wir unseren nächsten Wal töteten, schaffte ich zwei Eimer mit Eingeweiden beiseite und ging ans Werk. Calothrick kam an diesem Tag nach der Mittagsmahlzeit zu mir, und wir berieten uns hastig.
»Immer noch zu schwach«, sagte ich. »Vielleicht gibt es ein bestimmtes Organ, das das Flackern erzeugt. Vielleicht die Galle, oder die Bauchspeicheldrüse …«
»Mir kommt die Galle hoch«, meinte
Weitere Kostenlose Bücher